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Kein Erstattungsanspruch gegen Gemeinde wegen herabgestürztem Ast

In Zeiten knapper Kassen ein Gewinn für viele Gemeinden - und ein Ärgernis für viele Autobesitzer: Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken war in seinem Urteil vom 26.11.2015 (Az.: 4 U 64/14) der Auffassung, dass für Gemeinden kein Pflicht bestehe, Äste eines gesunden Baumes zu entfernen, um die Gefährdung anderer auszuschießen, nur weil der Baum zu einer anfälligen Art gehört. Bricht ein Ast dennoch ab, kann die Gemeinde für den Schaden nicht verantwortlich gemacht werden.
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20.12.2016
ca. 4 Minuten
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Kontrollpflicht verletzt?

Der Fahrzeugeigentümer lag schon länger mit der Gemeinde im Zwist: Zwei Platanen der Allee, an der er wohnte, ragten auf sein Grundstück. Der Streit eskalierte, als ein fast drei Meter langer Platanenast Weihnachten 2012 abbrach und auf das Fahrzeug fiel. Der Eigentümer forderte von der Gemeinde Schadensersatz und berief sich dabei auf eine schuldhafte Amtspflichtverletzung.

Zwei Mal im Jahr wurde von der Gemeinde eine Baumkontrolle durchgeführt. Dabei hätte – nach Meinung des Fahrzeugeigentümers – der morsche Ast auffallen müssen. Die Gemeinde führte ins Feld, dass einen Monat vor dem Zwischenfall genau dieser Baum überprüft worden sei. Anhaltspunkte dafür, dass der Ast morsch war oder bald abbrechen würde, waren nicht erkennbar.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht holte einen Sachverständigen hinzu. Das Ergebnis: Der Ast war zwar abgestorben, jedoch sei ein Pilzbefall nicht zu erkennen gewesen. Insgesamt sei der Baum nur leicht geschädigt, was ohne Auswirkung auf die Verkehrssicherheit sei – bis zum Ergebnis der nächsten Regelkontrolle -, denn Platanenäste könnten auch nach dem Absterben über Jahre in der Baumkrone halten, ohne Gefahr, dass sie abbrechen und herabfallen würden. Daher habe auch kein Handlungsbedarf für den Baumkontrolleur bestanden.

Das überzeugte die Richter, so dass sie die Klage des Fahrzeugeigentümers zurückwiesen. Zwar seien die von Bäumen ausgehenden Gefahren von der Verkehrssicherungsflicht der Gemeinen umfasst, aber eine Handlungspflicht bestünde nur bei Bäumen, bei denen der ganze Baum oder Teile davon herabzufallen drohen. In solchen Fällen sei die Gemeinde verpflichtet die entsprechenden Teile zu entfernen.

Ist – wie im vorliegenden Fall – ein Baum jedoch bei den regelmäßigen Kontrollen, die durchzuführen sind, nachweislich unauffällig geblieben, fällt ein dennoch herabfallender Ast unter das allgemeine Lebensrisiko. Die Gemeinde sei daher auch nicht bereits deshalb zu besonderen Schutzmaßnahmen verpflichtet, weil für diese Baumart ein erhöhtes Risiko für herabfallende Äste bestünde.

Wer haftet für Schäden durch Äste vom Nachbargrundstück?

In einem vergleichbaren Fall hatte das Amtsgericht Köln sich am 08.05.2023 (Az. 126 C 275/22) mit der Frage zu befassen, wer für die Schäden an einem Fahrzeug haftet, wenn diese durch herabfallende Äste vom Nachbargrundstück verursacht werden.

Wie das OLG Saarbrücken, hatte auch das AG Köln festgestellt “derjenige, der eine Gefahrenlage schafft oder eröffnet, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern” (vgl. OLG München, Urt. v. 03.02.2009, Az. 5 U 5270/08 mit Verweis auf BGH, Urt. v. 04.12.2001 Az. VI ZR 447/00; BGH, Urt. v. 05.10.2004, Az. VI ZR 294/03; BGH, Urt. v. 03.06.2008, Az. VI ZR 223/07.

Keinen Zweifel hatte das AG Köln auch daran gelassen, dass die Verkehrssicherung diejenigen Maßnahmen umfasst, “die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren, ohne dass jede Schädigung ausgeschlossen werden müsste.” Unter Bezugnahme auf den BGH stellte es weiter fest, “haftungsbegründend wird eine Gefahr dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Sachnutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und für ihn nicht ohne Weiteres erkennbar sind, ist in geeigneter und angemessener Weise zu begegnen” (BGH, Urt. v. 09.09.2008, Az. VI ZR 279/06.

Zu den von einem Grundstück ausgehenden Gefahren, vor denen Dritte zu schützen sind, gehören auch Bäume, die infolge Durchmorschung oder Windbruch umzustürzen drohen. Wer die Verfügungsgewalt über ein Grundstück ausübt, hat dafür zu sorgen, dass der dort vorhandene Baumbestand im Rahmen des Zumutbaren und nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen gegen Windbruch und Windwurf, insbesondere gegen Umstürzen auf Grund fehlender Standfestigkeit gesichert ist, soweit davon Gefahr für Dritte ausgeht, z.B. bei Verkehrswegen zugeordneten Bäumen (vgl. AG Bremen, Urt. v. 20.04. 2007, Az. 7 C 1/07 m.w.N.).

Die Pflicht kann an der Grundstücksgrenze enden!

Wie das AG Köln konstatiert, ist Voraussetzung für eine Haftung aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht in jedem Fall, dass die in Anspruch genommene Person tatsächlich auch Adressat eben dieser Verkehrssicherungspflicht ist. Das muss zwar Adressat ist hiernach nicht automatisch der Eigentümer einer Sache, sondern kann auch derjenige sein, der die Bestimmungsmacht über sie innehat.

Zu begründen ist dies damit, dass wer eine Gefahrenquelle geschaffen hat oder diese beherrscht, auch für die Einhaltung der daraus fließenden Verkehrspflichten verantwortlich ist. Entscheidend ist dabei die tatsächlich mögliche Einwirkung auf die Gefahrenquelle und ihre Zuordnung hinsichtlich Kosten und Nutzen. Als Folge muss der Verpflichtete für den Bereich der Gefahrenquelle verantwortlich und in der Lage sein, die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Gefahren, die von Bäumen auf einem angrenzenden Grundstück ausgehen, können – z.B. durch die Vornahme eines entsprechenden Baumschnitts – regelmäßig nur mit dem Einverständnis des Grundstückseigentümers durchgeführt werden.

Für den vom AG Köln zu entscheidenden Fall war Adressat der Verkehrssicherungspflicht daher nicht der beklagte Betreiber des Parkplatzes, sondern vorliegend der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks, auf dem die Bäume standen. Und da dem so war, hatte sich in den Beschädigungen am Fahrzeug der Klägerin eben keine Gefahr realisiert, die die Beklagte als Betreiberin der Parkfläche geschaffen oder eröffnet hatte. Die Klage war daher abzuweisen.

Kanzlei Voigt Praxistipp

Grundsätzlich lohnt es sich, das Parken unter Platanen zu meiden. Allerdings kann der Einzelfall auch anders ausgehen. Viele Gemeinden kommen der Baumkontrolle nicht oder nicht regelmäßig und gründlich genug nach. Wird die Pflicht zur Kontrolle der städtischen Bäume verletzt, begründet das im Regelfall eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und damit auch die Haftung für den Schaden.

Der Ausgang des Verfahrens vor dem AG Köln zeigt zudem, dass vor einer Klage auch der Adressat der Verkehrssicherungspflicht festgestellt werden muss. Wer dies versäumt riskiert, dass die Klage abgewiesen wird und er auf den Kosten sitzen bleibt.

Auch hier gilt: Sprechen Sie mit uns!

Voigt regelt!

Aktualisiert am 13.11.2023

Bildnachweis: Anett Soika / Pixabay

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