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Rechts vor Links: Auch bei einer Geisterkreuzung?

Nicht alles, was glänzt, ist Gold – und nicht alles, was wie eine Straße aussieht, ist auch eine. Wenn die Vorfahrt nicht besonders geregelt ist, gilt an Straßenkreuzungen die Regel »rechts vor links«. Anders dagegen verhält es sich mit Grundstücksausfahrten, bei denen das auf der Straße handlicher Fahrzeug vorfahrtsberechtigt und das aus der Grundstücksausfahrt kommende […]
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13.02.2018
ca. 3 Minuten
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Nicht alles, was glänzt, ist Gold – und nicht alles, was wie eine Straße aussieht, ist auch eine. Wenn die Vorfahrt nicht besonders geregelt ist, gilt an Straßenkreuzungen die Regel »rechts vor links«. Anders dagegen verhält es sich mit Grundstücksausfahrten, bei denen das auf der Straße handlicher Fahrzeug vorfahrtsberechtigt und das aus der Grundstücksausfahrt kommende Fahrzeug wartepflichtig ist. Doch was, wenn nicht eindeutig ist, ob eine Straße oder eine Ausfahrt vorliegt? Mit diesem Problem musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem Verfahren am 05.12.2017 (Az.: 9 U 51/17) befassen.

Was war passiert?

Die spätere Unfallgegnerin parkte ihren Wagen auf dem Parkplatz unmittelbar vor einer Turnhalle in Werne an der Lippe. Zum Verlassen des Parkplatzes fuhr die Unfallgegnerin über die Zufahrt zur Turnhalle. Diese Zufahrt mündet dabei in die Einmündung des Werthwegs mit der Boymerstraße und wirkt dabei – aufgrund der gegenüberliegenden Boymerstraße – wie eine unbeschadete Straßenkreuzung.

Der spätere Geschädigte hatte sein Fahrzeug am Werthweg in der Nähe einer Turnhalle abgestellt und näherte sich mit diesem zum Unfallzeitpunkt der Einmündung. Dabei befand sich die Zufahrt zur Turnhalle auf seiner rechten Seite. Er ging davon aus, vorfahrtsberechtigt zu sein, da die Unfallgegnerin sich aus einer Grundstücksausfahrt näherte. Umgekehrt ging die Unfallgegnerin von einer Straßenkreuzung aus, an der sie – als von rechts kommendes Fahrzeug – vorfahrtsberechtigt sei.

So kam es, wie es kommen musste, zum Unfall. Den entstandenen Schaden in Höhe von ca. 13.000 Euro machte der Geschädigte bei der Unfallgegnerin und Ihrem Haftpflichtversicherer geltend. Da der Schaden nicht vollständig reguliert wurde, zog der Geschädigte vor Gericht.

Die Entscheidungen der Gerichte

Das zunächst angerufene Landgericht (LG) Dortmund kam mit seinem Urteil vom 08.03.2017 (Az.: 21 O 361/16) sprach dem Geschädigten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von ca. 8.600 Euro zu, was einer Mithaftung von einem Drittel entspricht. Damit waren jedoch beide Seiten nicht einverstanden; der Geschädigte wollte seinen Schaden zu 100 Prozent erstattet wissen, die Unfallgegnerin wollte den Schaden nicht erstatten. Beide legten Berufung ein.

In der Berufungsverhandlung hat das OLG Hamm darauf hingewiesen, dass es die Einschätzung des LG Dortmund bezüglich der Verursachungsbeiträge der Unfallbeteiligten als zutreffend betrachtet. Dazu führte es aus, dass die Unfallgegnerin aus Sicht des Gerichts aus einem Grundstück auf eine öffentliche Straße eingefahren und somit gegenüber dem Geschädigten wartepflichtig gewesen sei. »Die von ihr befahrene Abzweigung mit einer Länge von ca. 10 m führe allein zu der nur wenige Meter von der Straßenfront zurückliegenden Sporthalle. Sie diene deren Erreichbarkeit und nicht dem fließenden Verkehr.« Dass die Unfallgegnerin, die die Örtlichkeit bereits ca. 2 Jahre kannte, dass anders eingeschätzt habe, sei ein unbeachtlicher Irrtum. Damit wäre grundsätzlich für den Schaden voll verantwortlich.

Aber: Hinsichtlich der Umstände des Einzelfalls sah das Gericht eine Mithaftung des Geschädigten. »Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, die den Einmündungsbereich die eine Kreuzung erscheinen ließen, habe der vorfahrtsberechtigte Kläger damit rechnen müssen, dass sein Vorfahrtsrecht von der Beklagten aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht erkannt werde.« Aus dieser Erkenntnis und der grundsätzlich bestehenden Rücksichtnahmepflicht erläuterte das Gericht weiter: »Deswegen habe er seine Fahrweise auf eine mögliche Missachtung des Vorfahrtsrechts ausrichten und durch die Aufnahme von Blickkontakt zu der sich nähernden, wartepflichtigen Beklagten absichern müssen. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen und rechtfertige den mit einem Drittel zu bewertenden Mitverursachungsanteil des Klägers am Unfallgeschehen.«

Infolge der Ausführungen des Gerichts nahmen beide Seiten die Berufung zurück.

Kanzlei Voigt Praxistipp

Die Ausführungen des OLG machen deutlich, dass sowohl der Ausbau als auch die Gestaltung einer Verkehrsfläche nicht darüber entscheiden, ob eine Straßeneinmündung oder eine Grundstücksausfahrt vorliegt. Für die rechtliche Einordnung sei allein die nach außen in Erscheinung tretende Verkehrsbedeutung maßgeblich. Doch was heißt dies für den Alltag?

In der Regel sind Straßen und auch Grundstücksausfahrten als solche erkennbar. Im Zweifelsfall jedoch kann auch denjenigen, der eigentlich vorfahrtsberechtigt ist, eine gesteigerte Sorgfalt treffen. Wann dies der Fall ist, hängt immer vom Einzelfall und den äußeren Umständen ab. So können – wie hier – der Ausbau und die Gestaltung als äußere Kriterien Anhaltspunkte für die maßgebliche Verkehrsbedeutung dienen und gegebenenfalls Anlass für die gegenseitige Rücksichtnahme liefern.

Sollte es dennoch zu einem Unfall kommen, ist rechtlicher Beistand bereits im Rahmen der Schadensregulierung von Vorteil, auch um mögliche Mithaftungsrisiken rechtzeitig abzuklären und den zustehenden Schadensersatzanspruch durchzusetzen. Die Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.

(Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 05.02.2018)

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