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Abschleppkosten

Informationen
04.07.2023

 

Die Abschleppkosten eines nicht mehr fahrbereiten oder nicht mehr verkehrssicheren Fahrzeugs nach einem Unfall sind Teil des ersatzfähigen Schadens (z.B. BGH, Urt. v. 12.01.1982, Az. VI ZR 265/80; LG Stuttgart, Urt. v. 30.11.2017, Az. 5 S 293/16). Sie sind dem nach § 249 Abs. 2 S 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand zuzurechnen, der „vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlichen denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheint“ (/OLG Bamberg, Urt. v. 26.08.2020, Az.: 5 U118/20).

 

Vergleichbar den für das Werkstattrisiko entwickelten Grundsätzen, sind die „Abschleppkosten grundsätzlich in vollem Umfang zu erstatten, es sei denn, dass eine Überhöhung für den Laien erkennbar war oder ihn ein Auswahlverschulden trifft“ (z.B. AG Oberkirch, Urt. v. 23.02.2021, Az. 1 C 100/20; AG Nürnberg, Urt. v. 09.11.2017, Az. 37 C 3441/17; AG Neu-Ulm, Urt. v. 12.08.2014, Az. 7 C 676/14 ) oder er erkennen kann, dass „die geforderten Abschleppkosten geradezu willkürlich festgesetzt sind, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen“ (AG Tettnang, Urt. v. 09.10.2020, Az. 8 C 335/20). Irrelevant ist, ob der Geschädigte selbst oder die Polizei das Abschleppunternehmen beauftragt hat. Erfolgt die Auswahl und Beauftragung des Abschleppunternehmens durch die Polizei, wird diese lediglich als Erklärungsbote des Geschädigten tätig. Der Geschädigte darf in einem solchen Fall aber davon ausgehen, dass die Polizei kein Unternehmen auswählt, dass eine andere als die ortsübliche Vergütung verlangt (AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Beschl. v. 03.01.2023, Az. 12 C 1508/22).

 

Von einem Geschädigten, der  unfallbedingt stationär in ein Klinikum eingeliefert wird, kann weder erwartet noch verlangt werden, dass er Einfluss auf die Höhe der Abschleppkosten nimmt oder nehmen kann (AG Tettnang, Urt. v. 17.11.2022, Az. 8 C 379/22).

 

Zur Marktforschung am Unfallort ist ein Geschädigter ebenso wenig verpflichtet (AG Schwandorf, Urt. v. 02.06.2016, Az. 1 C 7/16), wie zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der Abschleppkosten. Für das Hakenrisiko gelten hier die gleichen Grundsätze wie für das Werkstattrisiko und das „In-die-Hände-geben-von-Fachleuten.“ Dies gilt erst recht, wenn “der Abschleppbetrieb ausweislich der Rechnung bzw. dem Prüfbericht durch den „GDV“ bzw. „GDV-Baden-Württemberg“, also ein Unternehmen des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft, vermittelt wurde, bei dem unterstellt werden kann, dass es Abschleppdienste im Interesse der Versicherungen zu jedenfalls marktüblichen Preisen vermittelt” (LG Karlsruhe, Urt. v. 30.05.2022, Az. 10 O 243/19).

 

Was gilt konkret für den Umfang der Abschleppkosten?

Grundsätzlich kann “der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB den Geldbetrag ersetzt verlangen, der zur Herstellung des beschädigten Fahrzeuges erforderlich ist. Für die Bemessung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwandes können auch dann die „tatsächlichen“ Abschlepp(neben)kosten herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten – etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was für eine solche Bergung sonst üblich ist – unangemessen sind” (AG Tettnang, Urt. v. 17.01.2022, Az. 8 C 379/22; AG München, Urt. v. 13.10.2021, Az. 344 C 6507/21).

 

Diesem Ansatz war auch das AG Oberkirch gefolgt  als es feststellte, „dass bei der Prüfung, ob der Geschädigte sich in diesem Rahmen gehalten hat, Rücksicht auf seine spezielle Situation, also insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen ist“  (Urt. v. 23.02.2021, Az. 1 C 100/20). Weiter heißt es in dem Urteil, dessen Grundsätze durchweg auf dünn besiedelte Gebiete übertragen werden können: „Vorliegend trifft den Kläger hinsichtlich der Wahl des Abschleppdienstes kein Auswahlverschulden, da es in der konkreten Situation nicht zumutbar ist, von der touristisch attraktiven aber ansonsten im Wesentlichen ohne jegliche Infrastruktur geprägten Schwarzwaldhochstraße unmittelbar nach dem Unfall am Neujahrsnachmittag mehrere Abschleppunternehmen durchzutelefonieren und einen Preisvergleich anzustellen. Hier konnte und durfte sich der Kläger auf die in solchen Beauftragungen erfahrene Polizei verlassen.“ 

 

Zur Wertigkeit von Prüfberichten hat das LG Gießen (Urt. v. 01. 08.2020, Az. 3 O 479/19) statuiert, dass diese auch in Hinblick auf die Erstattung der Kosten aus einer Abschlepprechnung irrelevant sind, wenn die aufgeführten Gesichtspunkte für Abzüge von den Rechnungspositionen einem Laien unbekannt sind.

 

Grundsätzlich sind Abschleppkosten daher – im Umfang der generellen Haftung – vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer zu ersetzen. Die Höhe betreffend, gelten für das Hakenrisiko die gleichen Grundsätze wie für das Werkstattrisiko (AG München, Urt. v. 13.10.2021, Az. 344 C 6507/21). Dem Gericht zufolge, darf  „gerade im Fall der Reparatur – und Bergung – von Kraftfahrzeugen … nicht außer acht gelassen werden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind.“

 

Wohin darf geschleppt werden?

 

Für die überwiegende Zahl der Abschleppvorgänge wird das Abschleppen vom Schadenort zur nächstgelegenen Fach-/Vertragswerkstatt bzw. der für die Reparatur geeigneten Werkstatt ausreichen. Bei speziellen Fahrzeugen, bei denen das besondere Vertrauen in die Heimatwerkstatt eine gewichtige Rolle spielt, können aber auch längere Transporte gerechtfertigt sein (z.B. AG Köln, v. 27.02.2019, Az. 269 C 96/18). Im Einzelfall kann sogar ein „zweites“ Abschleppen zum Wohnort des Geschädigten ersatzpflichtig sein (OLG München, Urt. v. 08.07.2020, Az. 10 U 3947/19). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.

 

Abschleppkosten von Privatparklätzen

 

Beim Abschleppen von Privatparkplätzen –  z.B. vor Supermärkten oder Einkaufszentren – ist die Zahlungspflicht des Falschparkers auf die durch den konkreten Abschleppvorgang entstandenen Kosten begrenzt, soweit sie in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Parkverstoß stehen.

 

Der BGH sieht die Ersatzpflicht des Falschparkers als durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt.  So sind “nur diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde. Maßgeblich ist, wie hoch die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen sind. Regionale Unterschiede sind zu berücksichtigen“  (z.B. BGH, Urt. v. 04.07.2014, Az. V ZR 229/13; zugehörige Pressemitteilung).

 

Bildnachweis: Dr. Wolf-Henning Hammer

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