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Prüfbericht

Informationen
08.03.2024

Prüfberichte sind – von Versicherern in Auftrag gegebene – Stellungnahmen eines Prüfdienstleisters im Schadenfall. Die Erstellung erfolgt weisungsgebunden, entsprechend den Vorgaben des Auftraggebers. Kennzeichnend ist, dass die Besichtigung des Fahrzeugs unterbleibt. Es ist daher nicht außergewöhnlich, wenn die Behauptung der Nichterforderlichkeit durchgeführter Maßnahmen – bei der es sich letztlich um einen Betrugsvorwurf handelt – lediglich auf der Grundlage von Fotografien nicht aber einer echten Inaugenscheinnahme beruht.

 

Treffend hat daher auch das AG Kiel wiederholt festgestellt: „Ein Prüfbericht, der ohne Besichtigung des beschädigten Fahrzeugs erstellt wird, ist nicht geeignet, die durch einen Sachverständigen festgestellte Reparaturnotwendigkeit, die nach der umfangreichen Untersuchung des Fahrzeuges festgestellt wurde, in Zweifel zu ziehen“ (Urt. v. 17.02.2022, Az. 115 C 261/22; v. 29.09.2021, Az. 116 C 108/20). Auch das AG Gifhorn (Urt. v. 03.05.2022, Az. 33 C 618/22) hat Prüfberichten die Eignung abgesprochen, die Richtigkeit eines Sachverständigengutachtens in Frage zu stellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Prüfbericht ohne Begutachtung des Fahrzeugs intern und ohne Nennung eines konkret Verantwortlichen erstellt wird (s.a. AG Berlin-Mitte, Urt. v. 03.09.2021, Az. 101 C 3010/19). Als weiteres Gericht hat das LG Karlsruhe Prüfberichte in die Bedeutungslosigkeit geschickt (LG Karlsruhe, Urt. v. 21.10.2022, Az. 9 S 137/21).

 

In einem Urteil des AG Aachen vom 18.04.2013 (Az. 106 C 25/13) heißt es dazu: „Von daher erweckt der Prüfbericht der Beklagten den Eindruck, nicht auf der Grundlage einer konkreten, einzelfallbezogenen Recherche erfolgt zu sein, sondern generell-typisierend.“ Dem entsprechend kann es nicht verwundern, wenn es sich bei einem „Dreizeiler in dem Prüfbericht lediglich allgemeine Ausführungen, die sich offenbar nicht an dem … geltend gemachten Schaden orientieren“ (s.a. AG Zittau, Zweigstelle Löbau, Urt. v. 21.01.2021, Az. 14 C 382/20; Urt. v. 10.12.2020, Az. 14 C 371/20).

 

Prüfberichte stehen damit im Widerspruch zur den Grundsätzen des Schadensrechts, wonach die Schadensbetrachtung sich nicht nur an objektiven Kriterien orientieren darf, sondern subjektbezogen zu erfolgen hat (z.B. AG Iserlohn, Urt. v.27.07.2017, Az. 43 C 138/17).

 

Ein Prüfbericht kann eine sachverständige Begutachtung ebenso wenig ersetzen (z.B. AG Jever, Urt. v. 26.03.2021, Az. 5 C 186/20; AG Dillingen/Donau, Urt. v. 23.06.2021, Az. 2 C 102/21; AG Hamburg Blankenese, Urt. v. 21.07.2017, Az. 532 C 110/17) wie substantiierten Vortrag (AG Otterndorf, Urt. v. 14.11.2019, Az. 2 C 209/19).

 

Das AG Berlin/Mitte hat Prüfberichten nicht nur den Beweiswert, sondern auch die Tauglichkeit als zulässiges Beweismittel abgesprochen. Zur Wertigkeit von Prüfberichten heißt es in einem Urteil vom 25.09.2014 (Az. 108 C 3118/14): „Der Prüfbericht ist ein Computerausdruck ohne jeden Aussagewert.“ Das Urteil vom 10.12.2020 (Az. 108 C 3195/19) geht sogar noch einen Schritt weiter. Wörtlich heißt es in dem Urteil: „Der Prüfbericht ist im wesentlichen eine abstrakte Aufzeichnung von geringeren Stundenlöhnen ohne hinreichenden Bezug auf den konkreten Schadensfall. Diesem Prüfbericht kommt keinerlei Beweiswert zu. Er stellt nicht einmal ein nach der ZPO zulässiges Beweismittel dar.“ 

Verwundern kann das nicht. Prüfberichte zeichnen sich nun einmal dadurch aus, dass sie zwar Positionen gestrichen, nachvollziehbare Nachweise für die Notwendigkeit der Streichung aber nicht geliefert (vgl. AG Stuttgart, Urt. v. 24.03.2022, Az. 11 C 4263/11).

 

Auch das AG Kronach hat unmissverständlich festgestellt, dass Einwendungen eines Versicherers, die sich auf sogenannte Prüfberichte stützen, wertlos sind (Urt. v. 05.03.2020, Az. 2 C 10/20). Dem Gericht zufolge, handelt es sich bei der Erstellung eines Prüfberichts lediglich um einen automatisierten Vorgang, d.h. um ein Computerprogramm, das zu unbeachtlichen Behauptungen ins Blaue hinein führt, nicht aber um eine sachverständige Prüfung (s.a. AG Dillingen, Urt. v. 23.12.2020, Az. 2 C 388/20; AG Bad Urach, Verfügung v. 04.11.2019, Az. 1 C 194/19).

 

Wörtlich heißt es in dem zitierten Urteil des AG Kronach : „Derartige „Prüfberichte“, die auf Knopfdruck erstellt werden – ohne dass jemand das Fahrzeug begutachtet hat oder sich sonst qualifiziert mit der Schadensberechnung auseinandergesetzt hat – sind jedenfalls nicht geeignet, das Schadensgutachten eines anerkannten Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.“ Jedenfalls ist ein bloßer Verweis auf einen Prüfbericht nicht dazu geeignet, einen substantiierten Vortrag hinsichtlich der einzelnen Positionen zu ersetzen und damit der Darlegungslast zu genügen, dass der Reparaturaufwand nicht erforderlich ist (AG Rheine, Urt. v. 31.08.2020, Az. 10 C 30/20).

 

Dies haben auch das LG Meiningen (Urt. v. 29.12.2021, Az. 2 O 302/21) und das AG Heilbronn (Urt. v. 08.02.2021, Az. 3 C 1754/20) so gesehen. Die Wertlosigkeit und fehlende Relevanz von Prüfberichten haben sie damit begründet, dass es sich um – vom Versicherer veranlasste – maschinellen, unter Einsatz von künstlicher Intelligenz erstellte, ohne vorherige Inaugenscheinnahme des Kraftfahrzeugs erzeugte Darstellungen handelt, die das Erfordernis der Darlegungslast nicht erfüllen können.

 

Ebenso hat es AG Jever es in einem Urteil vom 26.03.2021 (Az. 5 C 186/20; zitiert vom AG Bremen, Urt. v. 28.06.2022, Az. 6 C 102/20) auf den Punkt gebracht: “Ein Prüfbericht, der noch dazu ohne jegliche Besichtigung des beschädigten Fahrzeuges erstellt wird, ist nicht geeignet, die festgestellte Reparaturnotwendigkeit in Zweifel zu ziehen. Die technischen Abzüge sind somit nicht gerechtfertigt. Es handelt sich im Ergebnis lediglich um ein abstraktes Aufzeigen von geringeren Kosten ohne jeden Bezug zum konkreten Schadensfall.”

 

Noch einen Schritt weiter ist das AG Suhl in einem lesenswerten Urteil vom 26.10.2022, Az. 1 C 125/22 gegangen. So wie es bestätigt, dass nicht der Schädiger oder dessen Versicherer, sondern der Geschädigte den Reparaturweg vorgibt, hat es dem strittigen Prüfbericht jegliche Relevanz im Reparaturprozess abgesprochen. Im Detail heißt es in dem Urteil: “Weder der Kläger als Geschädigter noch die von ihm beauftragte Reparaturwerkstatt waren verpflichtet, diesen Prüfbericht überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Aus diesem Prüfbericht lässt sich noch nicht einmal dessen Verfasser entnehmen und schon gar nicht dessen technisches Qualifikation. Es ist durchaus möglich, dass dieser Bericht lediglich mittels künstlicher Intelligenz erstellt worden ist. Er hat damit rechtlich keine weitere Bedeutung als ein bloßes Bestreiten durch eine Partei.”

Der weitere Text untermauert die Bedeutung des Sachverständigengutachtens und die Dispositionsfreiheit des Geschädigten: “Abgesehen davon würde die Pflicht zur Berücksichtigung eines solchen Prüfberichtes, der vor der Durchführung der Reparatur selber als Reaktion auf ein zuvor vorgelegtes Sachverständigengutachten erfasst worden und dem geschädigten zur Verfügung gestellt worden ist, nichts anderes bedeuten, als dass dadurch dem Schädiger und seiner Versicherung das Recht eingeräumt würde, den Reparaturweg zu diktieren. Das wird aber durch die ständige und herrschende Rechtsprechung zum Werkstattrisiko gerade ausgeschlossen werden.”

 

Selbst die Versicherungswirtschaft hat eingestanden, dass Prüfberichte computergesteuert und automatisch erstellt werden und nur im Falle von Fehlern eine Tiefenprüfung stattfinde. „Es handelt sich hierbei lediglich um pauschale Behauptungen, dass gewisse Reparaturpositionen und Arbeitsleistungen nicht erforderlich seien, ohne dass ausreichend auf den Einzelfall Bezug genommen wird und sich konkret mit dem Gutachten auseinandergesetzt wird.“ (Amtsgericht Neustadt am Rübenberge, Urt. v. 23.09.2020, Az. 41 C 327/20). Zudem muss sich kein Geschädigter darauf verweisen lassen, strittige Positionen mit der Werkstatt selbst zu diskutieren (AG Aschaffenburg, Urt. v. 25.07.2019, Az. 112 C 1808/18 ; LG Aschaffenburg, Beschl. v. 29.11.2019, Az. 23 S 86/19).

 

Zudem haben Prüfberichte – als abweichende Einschätzung des Unfallgegners – im Vergleich zu dem von einem Geschädigten eingeholten eigenen Schadensgutachten schon aus Sicht eines Laien keine größere Vermutung der Richtigkeit, das Schadensgutachten selbst (vgl. AG Münster, Urt. v. 11.09.2020, Az. 28 C 1823/20). Es genügt daher nicht, wenn ein Versicherer sich im Prozess lediglich behauptet, er habe „das Gutachten geprüft“ und sich dabei lediglich pauschal auf den Prüfbericht bezieht (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 27.07.2021, Az. 14 U 2150/20) .

 

Selbst wenn ein Versicherer einem Geschädigten – vor Erteilung des Reparaturauftrags – einen Prüfbericht zusendet, ist dieser keine beachtliche Weisung für die Durchführung der Reparatur (AG Mosbach, Urt. v. 19.02.2021, Az. 5 C 312/20). Als „aus sich selbst heraus nicht nachvollziehbares Zahlenwerk mit einem ebensolchen Abschlusssaldo“, kann ein Prüfbericht einem eigenständigen, aussagefähigen Schadensgutachten nicht das Wasser reichen. Als Grundlage für einen Verweis an eine andere Werkstatt könnte ein Prüfbericht von daher nur dann genügen, wenn er ein konkretes schriftliches Angebot der Alternativwerkstatt darstellt, das hinsichtlich der technischen Gleichwertigkeit der Reparatur auch überprüfbar ist (AG Lübeck, Urt. v. 09.09.2022, Az. 21 C 736/22; AG Berlin Mitte, Urt. v. 30.04.2021, Az. 101 C 158/20 V; v. 10.12.2020, Az. 108 C 3195/19). Ansonsten gilt, dass ein Geschädigter, der ein Sachverständigengutachten zu den voraussichtlichen Reparaturkosten eingeholt hat, auf die Kalkulation vertrauen und das und die Reparatur entsprechend in Auftrag geben darf (AG Lübeck, Urt. v. 07.02.2022, Az. 26 C 1562/21).

 

Dem entsprechend sind Prüfberichte auch im Regressverfahren nicht dazu geeignet, „die fachliche Expertise des vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen zu ersetzen. Auch hier gilt: „Der Geschädigte darf sich vielmehr darauf verlassen, dass der fachlich versierte Sachverständige, in dessen Hände er das Fahrzeug zur Begutachtung gegeben hat, die Reparaturkosten ordnungsgemäß begutachtet  und die Reparatur nach den Vorgaben dieses Gutachtens beauftragt werden darf“ (AG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2022, Az. 49 C 270/22; s.a. AG Neuwied, Urt. v. 01.12.2022, Az. 44 C 952/22).

 

Werden Prüfberichte ohne Sachverstand erstellt?

 

Was das AG-Leer von Prüfberichten hält, hat es in seinem Beschluss vom 27.04.2021, Az. 700 C 927/20 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Wörtlich heißt es dort:

 

Das Gericht nimmt zur Kenntnis, dass die … ca. 350 Kfz-Meister sowie weitere ca. 100 IT-Spezialisten beschäftigen soll. Bedauerlicherweise hat dieser geballte Sachverstand kaum Niederschlag in der sogenannten „Rechnungsprüfung“ vom 28.02.2020 gefunden. Die dort genannten Daten sind in weiten Teilen unsubstantiiert. Die Grundlagen der genannten Werte werden nicht mitgeteilt. Dies betrifft insbesondere die Angaben zum Arbeitslohn. Es erschließt sich in keiner Weise, auf welcher Grundlage ein Abschlag in Höhe von 322,09 € für erforderlich gehalten wird. Erforderlich wäre eine detaillierte Aufstellung der aus Sicht der Klägerin erforderlichen Arbeiten. Es müsste dabei im einzelnen mitgeteilt werden, für welche konkreten Arbeitsschritte welcher Arbeitszeitaufwand erforderlich sein soll. Es soll nur vorsorglich darauf hingewiesen werden, dass die Klägerin bei einer Rückerstattungsklage vollumfänglich darlegungs- und beweispflichtig ist.“

 

Das AG Berlin-Mitte sieht dies ähnlich (Urt. v. 21.01.2022, Az. 101 C 41/20 V). Hinsichtlich des im Prozess vorgelegten Prüfberichts stellt es fest, dass es sich bei diesem lediglich um ein „aus sich selbst heraus nicht nachvollziehbares Zahlenwerk mit einem ebensolchen Abschlussvermerk handelt“, das ohne persönliche Inaugenscheinnahme des beschädigten PKW erstellt wurde und aus dem nicht ersichtlich wird, „dass sich die Fachkenntnis des ausstellenden Sachverständigen auf Kraftfahrzeuge bezieht.“

Auch einem Urteil des AG Deggendorf zufolge (Az. 3 C 287/23 v. 25.029.2023), ist die bloße Bezugnahme auf einen Prüfbericht – der zudem keine Unterschrift trägt und in keiner Weise erkennen lässt, wer ihn verfasst hat – kein substantiiertes, sondern lediglich einfaches Parteivorbringen.

 

Prüfkalkulationen sind ebenfalls nicht dazu geeignet, sach- und fachgerecht erstellte Schadengutachten infrage zu stellen (LG Lübeck, Urt. v. 22.01.20214, Az. 1 S 71/23).

 

Übrigens 

Überprüft ein Betrieb seinerseits die Berechtigung der in einem Prüfbericht ausgewiesenen Kürzungen, so hat der Versicherer die dadurch entstehenden Kosten zu erstatten (z.B. AG Köln, Urt. v. 10.08.2022, Az. 262 C 119/20; AG Dresden, Urt. v. 21.09.2018, Az. 105 C 991/18).

 

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Dr. Wolf-Henning Hammer

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