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Der Auffahrende ist immer schuld! Stimmt das?

Einer Daumenregel zufolge, soll bei einem Verkehrsunfall immer derjenige schuld sein, der mit einem vorausfahrenden Fahrzeug kollidiert. Aber stimmt das auch?
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09.04.2019
ca. 2 Minuten
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Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist insoweit eindeutig. Schließlich spricht vieles dafür, dass der Auffahrende  bei einem Unfall entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder aber mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO) (Urt. v. 13.12.2011, Az. VI ZR 177/10; v. 30.11.2010, Az. VI ZR 15/10; v. 16.01.2007, Az. VI ZR 248/05; v. 18.10.1988; Az. VI ZR 223/87). Nach Auffassung des BGH seien Kraftfahrer dazu verpflichtet, ihre Fahrweise so einzurichten, dass sie notfalls rechtzeitig anhalten können, wenn ein Hindernis auf der Fahrbahn auftaucht (BGH v. 06.04.1982, Az. VI ZR 152/80).

Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls

Allerdings ist auch diese Regel nicht ohne Ausnahmen. So hat z.B. der BGH in einem Urteil vom 13.12.2016 (Az. VI ZR 32/16) festgestellt, dass ein Auffahrunfall als solcher dann nicht für die Annahme eines Anscheinsbeweises ausreicht, wenn besondere Umstände vorliegen, die ein atypisches Unfallgeschehen nahe legen. So sah es auch das Amtsgericht Dresden, als es über einen Unfall zwischen zwei Fahrzeugen zu befinden hatte, der sich ereignete, nachdem ein Autofahrer – unter Verletzung der Wartepflicht – in eine Kreuzung eingefahren war, wo kurz dahinter ein vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug mit dem Heck des eingefahrenen Fahrzeugs kollidierte. Da die Unfallbeteiligten sich gegenseitig die Schuld am Unfallgeschehen zuwiesen und der Versicherer des vorschriftswidrig in die Kreuzung eingefahrenen Fahrzeugs die Zahlung verweigerte, kam es zum Rechtsstreit. 

Der Anscheinsbeweis gegen den Vorfahrtsverletzer überwiegt den gegen den Auffahrenden!

Bei einem Auffahrunfall spricht zunächst vieles gegen den Auffahrenden. Allerdings kommt der Anscheinsbeweis dann nicht zur Anwendung,  wenn das Auffahren im räumlich-zeitlichen Zusammenhang mit einem Einbiegen aus einer untergeordneten Straße geschieht. Wenn ein vorfahrtsberechtigtes Fahrzeug außerhalb des Einmündungsbereiches auf ein aus einer untergeordneten Straße eingebogenes anderes Fahrzeug auffährt, das zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht die auf der Vorfahrtsstraße übliche Geschwindigkeit erreicht hatte, kann aus dem typischen Geschehensablauf abgeleitet werden, dass der Unfall auf eine Vorfahrtsverletzung des Einbiegenden zurückzuführen ist

Weiter führt das Gericht aus, dass der Anscheinsbeweis eher gegen den Vorfahrtsverletzer als gegen den Auffahrenden spricht. (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 28.05.2009, Az. 12 U 43/09; OLG Brandenburg v. 02.04.2009, Az. 12 U 214/08). Dies gilt auch dann, wenn der Zusammenstoß außerhalb des eigentlichen Kreuzungsbereiches stattfindet, weil die Wartepflicht des § 8 Abs. 2 StVO nicht nur für die Kreuzungsfläche gilt, sondern darüber hinaus bis zur vollständigen Einordnung des Wartepflichtigen auf der vorfahrtsberechtigten Straße bzw. bis die auf der Vorfahrtsstraße allgemein eingehaltene Geschwindigkeit erreicht wird oder der Wartepflichtige sich bereits in stabiler Geradeausfahrt befindet (OLG Brandenburg, Urt. v. 08.03.2007, Az. 12 U 173/06).

Wie das OLG Celle in einem Urteil vom 13.12.2023 (Az. 14 U 32/23) festgestellt hat, gelten die Grundsätze zum Anscheinsbeweis auch bei berührungslosen Unfällen (siehe: Was gilt bei berührungslosen Verkehrsunfällen?)

Praxistipp 

Nicht immer ist die Schuldfrage so, wie es auf den ersten Blick scheint!

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Aktualisiert am 08.01.2024

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