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Zu langsames Fahren auf der Autobahn kann zur Mithaftung führen

Eine Mindestgeschwindigkeit existiert nicht! Auch wenn viele Menschen denken, dass auf Autobahnen eine Mindestgeschwindigkeit vorgeschrieben ist, ist dies nicht der Fall. § 18 Abs. 1 StVO schreibt lediglich vor, dass Autobahnen (Zeichen 330.1) und Kraftfahrstraßen (Zeichen 331.1) nur mit Kraftfahrzeugen benutzt werden dürfen, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt. Allerdings […]
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02.02.2017
ca. 3 Minuten
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Eine Mindestgeschwindigkeit existiert nicht!

Auch wenn viele Menschen denken, dass auf Autobahnen eine Mindestgeschwindigkeit vorgeschrieben ist, ist dies nicht der Fall. § 18 Abs. 1 StVO schreibt lediglich vor, dass Autobahnen (Zeichen 330.1) und Kraftfahrstraßen (Zeichen 331.1) nur mit Kraftfahrzeugen benutzt werden dürfen, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt.

Allerdings kann zu langsames Fahren – wenn kein triftiger Grund dafür vorliegt – eine Verkehrsbehinderung im Sinne des § 3 Abs. 2 StVO darstellen und bei einem Unfall zu einer Mithaftung von 50 % führen. So urteilte das OLG Brandenburg. Die Begründung: Die anderen Verkehrsteilnehmer müssten nicht mit einer derart stark herabgesetzten Geschwindigkeit rechnen.

Was war passiert?

Ein LKW-Fahrer war einem vorausfahrenden PKW aufgefahren. Der LKW-Fahrer behauptete, dass der PKW vor ihm eingeschert sei und abgebremst habe. Er selbst habe darauf nicht rechtzeitig reagieren können. Der PKW-Fahrer dagegen trug vor, dass vor ihm ein Transporter eingeschert sei und er deshalb abbremsen musste. Allerdings habe er nur sanft abgebremst – anders als vom KW-Fahrer dargestellt. Der PKW-Fahrer wollte für seinen Fahrzeugschaden von dem Versicherer des LKWs Schadensersatz und Schmerzensgeld haben. Außergerichtlich konnten sich die Beteiligten jedoch nicht einigen und so ging der Streit vor Gericht.

Die Entscheidungen der Gerichte

Zunächst hatte das Landgericht Potsdam über die Angelegenheit zu entscheiden. Da – auch mit einem eingeholten Sachverständigengutachten – nicht abschließend geklärt werden konnte, ob der PKW kurz vor der Kollision vor dem LKW eingeschert war und stark abgebremst hatte oder ob der vorausfahrende PKW leicht abgebremst hatte, blieb der genaue Unfallhergang unaufgeklärt. Denn auch die Zeugen konnten kein Licht ins Dunkel bringen.

Das Landgericht ging daher von einem Anscheinsbeweis aus, nämlich dass der LKW-Fahrer aufgrund einer Unachtsamkeit und zu geringem Abstand überwiegend zum Unfall beigetragen hat. Aus Sicht des Gerichts konnte die vom Sachverständigen festgestellte Fahrgeschwindigkeit von lediglich 38 km/h diesen Anschein nicht erschüttern. Daher sprach es in seinem Urteil eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des LKW-Fahrers aus.

Der PKW war mit dem Ergebnis nicht zufrieden und ging in Berufung, der LKW-Fahrer mitsamt der Versicherung wandten sich ebenfalls gegen das Urteil des Landgerichts. Das angerufene OLG Brandenburg sah die Angelegenheit tatsächlich anders – allerdings nicht zu Gunsten des PKW-Fahrers.

Zwar war auch das OLG der Meinung, dass der LKW-Fahrer nicht mit ausreichender Sorgfalt auf die Situation reagiert hat – und der Unfall daher für ihn nicht unabwendbar war. Insbesondere konnte ein abruptes Abbremsen des PKW nicht nachgewiesen werden.

Aber: Die Feststellung des Sachverständigen, dass der PKW zum Kollisionszeitpunkt nur 38 km/h schnell fuhr, wurde von keiner Seite angegriffen und damit für das Berufungsgericht bindend. Auch für den PKW-Fahrer war der Unfall daher nicht unabwendbar. Ein triftiger Grund für diese Geschwindigkeit konnte nicht bewiesen werden, zumal der PKW-Fahrer betonte, dass er sanft abgebremst habe, weil keine Gefahrensituation bestand, so dass das Gericht von einem Verstoß gegen § 3 Abs. 2 StVO ausgehen musste. Und selbst wenn das OLG von einem sachten Abbremsen ausgehen würde – wie vom PKW-Fahrer behauptet – so fuhr das Fahrzeug vor dem Abbremsen nicht wesentlich schneller. Das OLG führte aus: “Mit einer solch niedrigen Geschwindigkeit konnten die nachfolgenden Kraftfahrer nicht rechnen. Die Autobahn dient dem Schnellverkehr. Es ist zwar generell zulässig, die in § 18 Abs. 1 StVO für die Benutzung der Autobahn vorgesehene bauartbedingte Mindestgeschwindigkeit von 60 km/h zu unterschreiten, soweit dies nicht zu Behinderungen anderer Verkehrsteilnehmer führt. Jedoch können die Benutzer der Autobahn nicht ohne weiteres damit rechnen, dass andere Autobahnbenutzer diese Mindestgeschwindigkeit grundlos noch erheblich unterschreiten.

Im Ergebnis ging das OLG aufgrund der Unaufklärbarkeit von einer Haftungsteilung von 50% aus.

Kanzlei Voigt Praxistipp

Die grundsätzliche Mindestgeschwindigkeit auf Autobahnen liegt bei 60 km/h. Selbstverständlich können Stau oder zäher Verkehrsfluss zu geringeren Geschwindigkeiten führen. Grundsätzlich sollte es aber zu keiner erheblichen Unterschreitung ohne triftigen Grund kommen. Sollte es doch vorkommen, dass z.B. ein Fahrzeug dicht vor Ihnen einschert, so versuchen sie angemessen auf die Situation zu reagieren. Falls Sie einen Beifahrer haben, lassen Sie von diesem das Kennzeichen notieren, um im Streitfall Beweis erbringen zu können, dass Sie gezwungen waren so zu reagieren.

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