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Kein Fahrverbot bei besonderer Härte!

Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mind. 41 km/h indiziert nach §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, 49 StVO, § 4 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Nr. 11.3.7 BKatV, §§ 24, 25 StVG ist eine Regelgeldbuße von 160,00 Euro sowie ein Regelfahrverbot von einem Monat nach Nr. 11.3.7 BKatV.
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11.05.2022
ca. 4 Minuten
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Einem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26.04.2022, Az. 3 Ss-OWi 415/22 zufolge, kann indes von der Verhängung eines Fahrverbots indes abgesehen werden, wenn Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Härte vorliegen. Bei der Entscheidungsfindung müssen allerdings sämtliche konkreten Umstände des Einzelfalles in objektiver und subjektiver Hinsicht in der Entscheidung berücksichtigt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.03.1996, Az. 2 BvR 616/91).

Geldbuße oder Fahrverbot?

Der Betroffene überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der A 3 im April 2021 um mindestens 43 km/h. Gegen ihn wurde deshalb im Mai 2021 nach der damals gültigen Bußgeldkatalogverordnung eine Geldbuße von 160 € und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Auf seinen Einspruch hin setzte das Amtsgericht Wiesbaden mit Urteil vom November 2021 die Geldbuße auf 320 € fest und hob das Fahrverbot auf. Der Betroffene hatte u.a. darauf hingewiesen, seit dem 01.10.2021 als Berufskraftfahrer zu arbeiten und sich noch in der Probezeit zu befinden. Ihm könne deshalb ohne Begründung gekündigt werden. Dies sei zu befürchten, wenn ein Fahrverbot festgesetzt werde. Das Amtsgericht sah deshalb das Fahrverbot als besondere Härte an.

Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden sah die Sache anders und legte form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde gegen die Nichtanordnung eines Fahrverbots ein. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main trat der Rechtsbeschwerde bei.

Urteilsgründe müssen nachvollziehbar und verständlich sein!

Das OLG hatte zu überprüfen, ob die getroffenen Urteilsfeststellungen eine tragfähige Grundlage für die sachliche Rechtsanwendung bilden. Dabei kam es insbesondere darauf an, ob die Feststellungen lückenhaft, widersprüchlich oder auf andere Weise unklar waren und ob das Urteil deswegen aufgehoben werden musste. Wie das OLG ausführte, “müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist. Das Urteil muss deshalb in der Regel auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, wie sich der Betroffene eingelassen hat und ob das Gericht dieser Einlassung des Betroffenen aus welchen Gründen folgt oder als widerlegt ansieht.”

Absehen vom Fahrverbot erfordert eine besondere Härte!

Den Ausführungen des Amtsgerichts zufolge, beruhe das ausnahmsweise Absehen vom Fahrverbot insbesondere auf der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen und der in diesem Zusammenhang bestehenden Probezeit. Maßgeblich für die Einstufung als besondere Härte für den Betroffenen sei dabei, dass dieser in der laufenden Probezeit ohne nähere Begründung des Arbeitgebers und ohne wesentliche Hürden entlassen werden und in der Probezeit in der Regel kein Urlaub genommen werden könne.
Dem OLG genügte dies nicht. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Urteilsfeststellungen über den einen Härtefall begründenden Arbeitsplatzverlust ausschließlich auf den Angaben des Betroffenen beruhten. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Kündigung durch den Arbeitgeber tatsächlich konkret zu befürchten sei, konnte es nicht erkennen. Der Richter am Amtsgericht hätte darlegen müssen, weshalb er diese Angaben für glaubhaft erachtet hatte, “um Missbrauch auszuschließen und dem Rechtsbeschwerdegericht eine Entscheidung auf fundierter Tatsachengrundlage zu ermöglichen (OLG Bamberg, Beschl. v. 22.01.2009, Az. 2 Ss OWi 5/09; OLG Hamm, Beschl. v. 03.03.2022, Az. 5 RBs 48/22). Die Aufklärungspflicht des Tatrichters bestimmt sich dabei nach § 77 Abs. 1 OWiG. Dementsprechend darf sich die Begründung im Urteil nicht in einer unkritischen Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen erschöpfen.”

Voreintragungen haben keine entlastende Wirkung

Eintragungen im Fahreignungsregister, die zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 5 StVG führen können, gehören nicht zu den Sanktionen, die das Gesetz als Folge der Begehung einer Ordnungswidrigkeit vorsieht. Sie sind daher grundsätzlich kein tauglicher Aspekt der Rechtsfolgenbemessung. Dem Umstand, dass dem Betroffenen der Entzug der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde drohen mag, kommt demnach im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Fahrverbot zu verhängen ist, keinerlei entlastende Bedeutung zu. (BayObLG, Beschl. v. 16.11.2020, Az. 201 ObOWi 1375/20).

Welche Grundsätze gelten für Freiberufler?

Auch bei Freiberuflern ist ein Absehen vom Regelfahrverbot bei gravierenden beruflichen Folgen möglich. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn es das Fahrverbot zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde.

Allerdings dürfen Angaben eines Betroffenen, es drohe der Verlust seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage, nicht ungeprüft übernommen werden. Vielmehr ist ein derartiger Vortrag vom Tatrichter kritisch zu hinterfragen, um das missbräuchliche Behaupten eines Ausnahmefalles auszuschließen (AG Zeitz, Urt. v. 13.06.2017, Az. 13 OWi 733 Js 210853/16; OLG Bamberg, Beschl. v. 22. 07.2016, Az. 3 Ss OWi 804/16). ;

In die Entscheidungsfindung einzubeziehen ist dabei u.a., ob der Betroffene temporär nicht auch einen Fahrer einstellen (z.B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.07.2015, Az. IV-1 RBs 200/14) oder den Beginn des Fahrverbotes innerhalb des zeitlichen Rahmens von vier Monaten zumindest teilweise auf einen ihm günstigeren Zeitpunkt legen und dadurch ggf. in Kombination mit weiteren innerbetrieblichen Überbrückungsmaßnahmen die Auswirkungen des Fahrverbotes jedenfalls soweit abmildern kann, dass ein Verlust der wirtschaftlichen Existenz sicher abzuwenden wäre (BayObLG, Beschl. v. 17.09.2019, Az. 201 ObOWi 1580/19).

Vergleichbares gilt, wenn wegen krankheitsbedingter Angewiesenheit uf die Nutzung eines Kfz (OLG Bamberg, Beschl. v. 17.01.2017, Az. 3 Ss OWi 1620/16) oder aus Gründen des öffentlichen Interesses (BayObLG, Beschluss v. 19.01.2021, Az. 202 ObOWi 1728/20)

von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden soll

Fazit

Das Urteil zeigt wie wichtig die Strategie bei der Verteidigung – nicht nur in Verkehrsangelegenheiten – ist. Wer nicht nur vor dem Amtsgericht Erfolg haben, sondern den Bestand des Urteils auch im Rechtsbeschwerdeverfahren sicher stellen möchte, sollte daher auf eine entsprechende Würdigung der entscheidungserheblichen Umstände achten!

Gerade wenn es um die Abwendung eines Fahrverbots geht, sollten Betroffene die Sache daher nicht in die eigene Hand nehmen!

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Voigt regelt!

Weiterführende Links

Absehen von Fahrverbot bei besonderer Härte; OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.04.2022, Az.  3 Ss-OWi 415/22
Absehen von Fahrverbot bei wirtschaftlicher Existenzgefährdung; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.11.2019, Az. 2 Rb 35 Ss 795/19
Absehen von Fahrverbot aufgrund beruflicher Nachteile; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.07.2018, Az. 1 OWi 6 SsBs 67/18

Bildnachweis: blickpixel / Pixab

Aktualisiert am 07.03.2024

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