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BGH, Urteil vom 26.04.2016, VI ZR 563/15: Mietwagen mal ohne Fraunhofer, Schwacke oder Fracke

Anhand welcher Listen sind die Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall zu schätzen? Das ist nicht eindeutig entschieden. Die Gerichte urteilen unterschiedlich.
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02.11.2016
ca. 3 Minuten
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Die Frage, anhand welcher Listen die Erforderlichkeit von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall zu schätzen und damit dem Geschädigten zu ersetzen sind, ist nicht eindeutig zu entscheiden. Die Gerichte urteilen durch die Bank weg unterschiedlich. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf spricht sich bei der Frage der Mietwagenkosten im Einzelfall für Fraunhofer aus, das OLG Hamm neigt zu einem Mix aus Fraunhofer und Schwacke (Fracke) und das OLG Frankfurt lässt uns wissen, dass es den Schwacke Mietpreisspiegel bevorzugt.

Der Grund für diese vollkommen unterschiedlichen Auffassungen der Gerichte liegt in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, denn diesem ist es vollkommen egal, auf welcher Basis der Normaltarif geschätzt wird. Solange die Schadenschätzung nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt wird, kann nach Auffassung des BGH grundsätzlich auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegel, der Fraunhofer-Liste, im Rahmen tatrichterlichen Ermessens auch durch Abschläge oder Zuschläge auf den sich aus diesen Listen ergebenden Normaltarif oder auch anhand eines Durchschnittswertes beider Listen ermittelt werden.

 

Es geht aber auch ohne Schätzgrundlagen

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.04.2016 (VI ZR 563/15) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Versicherer hatte dem Geschädigten telefonisch VOR Anmietung eines Mietwagens konkret angeboten, ihm einen Mietwagen zu einem günstigen Tagespreis (38 EUR) inklusive aller Nebenkosten zu vermitteln. Auf dieses Angebot ist der Geschädigte allerdings nicht eingegangen, er mietete vielmehr bei einem Mietwagenunternehmen seiner Wahl ein Fahrzeug für etwa 100 EUR pro Tag an. Der Versicherer zahlte lediglich die angebotenen 38 EUR pro Tag und lehnte weitere Zahlungen ab.

In dem daraufhin geführten Gerichtsverfahren verteidigte sich der Geschädigte damit, dass die von ihm aufgewendeten Mietwagenkosten anhand der Schätzgrundlage Mietpreisspiegel als erforderlich anzusehen seien. Der Geschädigte blieb mit seiner Klage in allen Instanzen erfolglos.

Die Gerichte stellten fest, dass der Geschädigte gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen hat, indem er das konkret vom Versicherer mitgeteilte Mietwagenangebot nicht angenommen hat. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass dem Geschädigten ohne weiteres eine günstigere Anmietmöglichkeit zugänglich gewesen wäre. Es stellt einen groben Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht dar, wenn der Geschädigte grundlos eine Möglichkeit ausschlägt, ein günstigeres Angebot wahrzunehmen. Daher braucht auch nicht auf irgendwelche Schätzgrundlagen zurückgegriffen zu werden, da ein konkret niedrigeres Angebot (38 EUR pro Tag) in dem Fall bereits nachgewiesen bekannt ist.

Dazu die Leitsätze des BGH:

Die Frage, ob der vom Geschädigten gewählte Mietwagentarif erforderlich war im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, kann ausnahmsweise offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation “ohne weiteres” zugänglich gewesen wäre, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (im Anschluss an Senatsurteil vom 2. Februar 2010 – VI ZR 139/08, aaO Rn. 12).

In diesem Zusammenhang kann auch das Angebot des Haftpflichtversicherers an den Geschädigten, ihm eine günstige Anmietmöglichkeit zu vermitteln, beachtlich sein.

 

Kanzlei Voigt Praxistipp

Die Versicherer betreiben ein aktives Schadenmanagement. Sie versuchen, nach einem Unfall so schnell wie möglich Kontakt zum Geschädigten aufzunehmen und diesen durch den Schaden zu steuern. So werden den Geschädigten oft eine bestimmte Kooperationswerkstatt der Versicherer und der Verzicht auf einen Gutachter empfohlen, und immer häufiger wird auch bereits am Telefon ein konkreter Mietwagenpreis genannt. Ein solcher telefonisch genannter Preis kann ab sofort beachtlich sein, und zwar dann, wenn es sich (vom Versicherer) nachweisbar Preise handelt, zu denen der Geschädigte wirklich ein Fahrzeug hätte anmieten können. Der Geschädigte ist weder direkt nach einem Unfall, noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt verpflichtet, mit dem Schädiger oder dessen Versicherer zu sprechen. Macht er es aber schon, sollte er sich solche Mietwagenangebote besser notieren, um nicht Gefahr zu laufen, auf einem Großteil der Mietwagenkosten sitzen zu bleiben.

Weiterer Beitrag zu diesem Thema:
Fraunhofer, Schwacke, Fracke: Keine einheitliche Linie der Gerichte zu Mietwagenkosten

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