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Geschädigter muss nicht auf dem überregionalen Markt nach Ersatzfahrzeug suchen

Nach einem wirtschaftlichen Totalschaden muss sich der Geschädigte um ein Ersatzfahrzeug bemühen. Dabei hat er seine Schadensminderungspflicht im Auge zu behalten und sich um eine zügige Abwicklung zu kümmern. Den Wünschen und Anforderungen mancher Versicherer, die dabei vom Geschädigten zu beachten seien, wurden wieder einmal Grenzen gesetzt. Sachverhalt Bei einem Verkehrsunfall am 10.08.2014, der alleine […]
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20.01.2017
ca. 3 Minuten
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Nach einem wirtschaftlichen Totalschaden muss sich der Geschädigte um ein Ersatzfahrzeug bemühen. Dabei hat er seine Schadensminderungspflicht im Auge zu behalten und sich um eine zügige Abwicklung zu kümmern. Den Wünschen und Anforderungen mancher Versicherer, die dabei vom Geschädigten zu beachten seien, wurden wieder einmal Grenzen gesetzt.

Sachverhalt

Bei einem Verkehrsunfall am 10.08.2014, der alleine vom Unfallgegner verschuldet wurde, wurde der vier Monate alte Audi A3 Quattro mit Allradantrieb und Panoramadach der Geschädigten derart beschädigt, dass es nicht mehr fahrtüchtig war. Bis zum Unfallzeitpunkt war er gerade einmal 4.253 km gelaufen.

Die Geschädigte ließ das Fahrzeug begutachten. Als das Gutachten vom 14. 08.2014 vorlag, entschied sich die Geschädigte ein Neufahrzeug des gleichen Typs und mit gleicher Ausstattung am 25.08.2014 zu bestellen. Dieses wurde im Oktober geliefert und am 23.10.2014 zugelassen.

Der Schaden wurde vom Versicherer des Unfallverursachers fast vollständig reguliert. Lediglich hinsichtlich der Nutzungsentschädigung kam es zum Streit. Der Versicherer hat Nutzungsausfall für 14 Tage Wiederbeschaffungsdauer reguliert. Die Geschädigte trug vor, dass für Fahrzeuge so, wie ihr beschädigtes, kein Gebrauchtwagenmarkt bestehe. Deshalb sei es ihr nicht möglich gewesen ein gleichwertiges Fahrzeug in diesen 14 Tagen zu beschaffen. Sie forderte daher Nutzungsausfall für die gesamte Dauer. Der Versicherer hatte kein Einsehen und so zog die Geschädigte vor Gericht.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht holte sich Rat in Form eines Sachverständigengutachtens und gab der Geschädigten am Ende Recht.

Durch den Unfall konnte die Geschädigte ihr Fahrzeug nicht nutzen, was grundsätzlich zu entschädigen ist. Dabei ist auf die Schadensminderungspflicht zu achten: Der Ausfall soll so kurz wie möglich gehalten werden, wobei nur das erwartet werden kann, was ein vernünftiger Mensch an Aufwendungen erbringen würde. Beruft sich der Schädiger auf einen Verstoß von Seiten des Geschädigten, hat der Schädiger diesen Verstoß zu beweisen (OLG München, Urteil vom 27.11.1975 – 24 U 813/75; OLG Celle, Urteil vom 24.10.2007 – 14 U 85/07; LG Duisburg, Urteil vom 06.03.2015 – 2 O 205/12).

Hinsichtlich der anzusetzenden Dauer darf ein Geschädigter daher grundsätzlich Nutzungsausfall nur für den Zeitraum vom Schädiger beanspruchen, in dem ihm die Beschaffung eines gleichartigen und gleichwertigen Ersatzfahrzeuges auf dem Gebrauchtwagenmarkt bei unverzüglichen Bemühungen möglich gewesen wäre. Dieser normale Wiederbeschaffungszeitraum setzt sich zusammen aus dem Zeitraum bis zur Klärung, ob ein Totalschaden vorliegt, einer (kurzen) Überlegungsfrist sowie der angemessenen Zeit zur Beschaffung eines entsprechenden Fahrzeugs (OLG München, Urteil vom 27.11.1975 – 24 U 813/75; OLG Celle, Urteil vom 24.10.2007 – 14 U 85/07; LG Duisburg, Urteil vom 06.03.2015 – 2 O 205/12).

Der vom Gericht bestellte Sachverständig stellte fest, dass

  • im Augst 2014 überhaupt nur 11 allradbetriebene Quatto-Fahrzeuge angeboten wurden (also unter 5 % der Fahrzeuge);
  • im Großraum von Bonn zu dieser Zeit kein einziges vergleichbares Fahrzeug angeboten wurde;
  • ein in Pforzheim angebotenes Fahrzeug allerdings schon 12.900 km gelaufen war und kein Panoramadach als wesentliches Ausstattungsmerkmal aufwies;
  • auch ein in Frankfurt angebotenes Fahrzeug kein Panoramadach aufwies;
  • ein Fahrzeug aus Tübingen (ebenfalls April 2014 zugelassen) zwar lediglich 5.000 km gelaufen war, ihm allerdings das hochwertige Sound System von Bang & Olufsen fehlte.

Das Gericht stellte noch einmal klar, dass die Geschädigte dem Grunde nach keinen Anspruch auf ein exakt wie das verunfallte Fahrzeug ausgerüstetes Vergleichsfahrzeug hat, muss sie sich nach Auffassung des Gerichts dennoch nicht auf Fahrzeuge verweisen lassen, die entweder deutlich mehr Kilometer gelaufen haben oder denen wesentliche Ausstattungsmerkmale fehlen. So ist ein Fahrzeug ohne Panoramadach kaum noch vergleichbar mit einem Fahrzeug mit Panoramadach. Hinzu kommt, dass die überhaupt verfügbaren Fahrzeuge aber auch nicht auf dem regionalen Markt vorhanden waren. Der Geschädigte, hier die Klägerin, ist jedoch nicht verpflichtet über den regionalen Markt hinaus nach Fahrzeugen zu suchen.

Deshalb sprach das Gericht der Geschädigten Nutzungsausfall vom Unfall bis zur Fahrzeugzulassung zu – unter Anrechnung der bereits regulierten 14 Tage.

Kanzlei Voigt Praxistipp

Gerade bei Neufahrzeugen, Importfahrzeugen und Spezialausstattungen lohnt es sich genau nachzurechnen. Die im Sachverständigengutachten ausgewiesene Wiederbeschaffungsdauer ist ein Schätzwert für Vergleichsfahrzeuge. In der Regel heißt es dort 14 Tage oder 10-12 Werktage. Fällt Ihr Fahrzeug jedoch aus dem Rahmen, können Abweichungen nach oben durchaus gerechtfertigt sein – sofern sie plausibel sind.

Plausibel sind zum Bespiel längere Lieferzeiten bei Neufahrzeugen oder Importfahrzeugen außerhalb des EU-Binnenmarktes. Ebenso können erforderliche Umbaumaßnahmen wie zum Beispiel der Einbau einer Rollstuhlrampe die Fertigstellung verzögern.

Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Sie in jedem Fall einen Rechtanwalt konsultieren, der die Aspekte des Einzelfalles mit Ihnen abwägt.

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