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Fehlt Prüfberichten der Sachverstand?

Prüfberichte sind - von Versicherern in Auftrag gegebene - Stellungnahmen eines Prüfdienstleisters im Schadenfall. Die Erstellung erfolgt weisungsgebunden, entsprechend den Vorgaben des Auftraggebers.
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27.07.2021
ca. 4 Minuten
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Die Gerichte haben das schon länger erkannt und die Urteile, die diesen Prüfberichten die Eignung absprechen, werden immer mehr. 

In einem Urteil des AG Aachen vom 18.04.2013 (Az. 106 C 25/13) heißt es dazu: “Von daher erweckt der Prüfbericht der Beklagten den Eindruck, nicht auf der Grundlage einer konkreten, einzelfallbezogenen Recherche erfolgt zu sein, sondern generell-typisierend.” Dem entsprechend kann es nicht verwundern, wenn es sich bei einem “Dreizeiler in dem Prüfbericht lediglich allgemeine Ausführungen, die sich offenbar nicht an dem … geltend gemachten Schaden orientieren” (s.a. AG Zittau, Zweigstelle Löbau, Urt. v. 21.01.2021, Az. 14 C 382/20; Urt. v. 10.12.2020, Az. 14 C 371/20).

Prüfberichte stehen damit im Widerspruch zur den Grundsätzen des Schadensrechts, wonach die Schadensbetrachtung sich nicht nur an objektiven Kriterien orientieren darf, sondern subjektbezogen zu erfolgen hat (z.B. AG Iserlohn, Urt. v.27.074.2017 – Az. 43 C 138/17).

Ein Prüfbericht kann eine sachverständige Begutachtung ebenso wenig ersetzen (z.B. AG Hamburg Blankenese, Urt. v. 21.07.2017 – Az. 532 C 110/17) wie substantiierten Vortrag (AG Otterndorf, Urt. v. 14.11.2019, Az. 2 C 209/19).

Das AG Berlin/Mitte hat Prüfberichten nicht nur den Beweiswert, sondern auch die Tauglichkeit als zulässiges Beweismittel abgesprochen. Zur Wertigkeit von Prüfberichten heißt es in einem Urteil vom 25.09.2014 (Az. 108 C 3118/14): „Der Prüfbericht ist ein Computerausdruck ohne jeden Aussagewert.“ Das Urteil vom 10.12.2020 (Az. 108 C 3195/19) geht sogar noch einen Schritt weiter. Wörtlich heißt es in dem Urteil: „Der Prüfbericht ist im wesentlichen eine abstrakte Aufzeichnung von geringeren Stundenlöhnen ohne hinreichenden Bezug auf den konkreten Schadensfall. Diesem Prüfbericht kommt keinerlei Beweiswert zu. Er stellt nicht einmal ein nach der ZPO zulässiges Beweismittel dar.”

Auch das AG Kronach hat unmissverständlich festgestellt, dass Einwendungen eines Versicherers, die sich auf sogenannte Prüfberichte stützen, wertlos sind (Urt. v. 05.03.2020, Az. 2 C 10/20). Dem Gericht zufolge, handelt es sich bei der Erstellung eines Prüfberichts lediglich um einen automatisierten Vorgang, d.h. um ein Computerprogramm, das zu unbeachtlichen Behauptungen ins Blaue hinein führt, nicht aber um eine sachverständige Prüfung. (s.a.: AG Dillingen, Urt. v. 23.12.2020, Az. 2 C 388/20).

Wörtlich heißt es in dem Urteil: “Derartige “Prüfberichte”, die auf Knopfdruck erstellt werden – ohne dass jemand das Fahrzeug begutachtet hat oder sich sonst qualifiziert mit der Schadensberechnung auseinandergesetzt hat – sind jedenfalls nicht geeignet, das Schadensgutachten eines anerkannten Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.” Jedenfalls ist ein bloßer Verweis auf einen Prüfbericht nicht dazu geeignet, einen substantiierten Vortrag hinsichtlich der einzelnen Positionen zu ersetzen und damit der Darlegungslast zu genügen, dass der Reparaturaufwand nicht erforderlich ist (AG Rheine, Urt. v. 31.08.2020, Az. 10 C 30/20). Dies sieht auch das AG Heilbronn so Urt. v. 08.02.2021, Az. 3 C 1754/20) , wenn es die fehlende Relevanz von Prüfberichten damit begründet, dass es sich dabei um einen vom Versicherer veranlassten, maschinellen ohne vorherige Inaugenscheinnahme des Kraftfahrzeugs durchgeführten Vorgang handelt.

Das Landgericht Braunschweig sah dies in einem Urteil vom 27.06.2023, Az. 12 O 38/23 genauso.

Bezeichnend stellt es fest: Der vorgelegte Prüfbericht von „ “ vom 23.02.2023 bemängelt zwar einzelne Schadenspositionen aus dem Privatgutachten der Klägerin, zeigt mögliche Unzulänglichkeiten des Privatgutachtens aber nicht hinreichend konkret auf. Insbesondere wird nicht erläutert, warum und inwieweit einzelne Beschädigungen „nicht erkennbar“ oder „nicht nachvollziehbar“ seien. Eine einzelfallbezogene Auseinandersetzung mit dem fachlich fundierten Privatgutachten ist nicht festzustellen.”

Versicherer gestehen die automatisierte Erstellung von Prüfberichten ein!

Selbst die Versicherungswirtschaft gesteht ein, dass Prüfberichte computergesteuert und automatisch erstellt werden und nur im Falle von Fehlern eine Tiefenprüfung stattfinde. “Es handelt sich hierbei lediglich um pauschale Behauptungen, dass gewisse Reparaturpositionen und Arbeitsleistungen nicht erforderlich seien, ohne dass ausreichend auf den Einzelfall Bezug genommen wird und sich konkret mit dem Gutachten auseinandergesetzt wird.” (Amtsgericht Neustadt am Rübenberge, Urt. v. 23.09.2020, Az. 41 C 327/20). Zudem muss sich kein Geschädigter darauf verweisen lassen, strittige Positionen mit der Werkstatt selbst zu diskutieren (AG Aschaffenburg, Urt. v. 25.07.2019, Az. 112 C 1808/18 ; LG Aschaffenburg, Beschl. v. 29.11.2019, Az. 23 S 86/19). Und als abweichende Einschätzung des Unfallgegners haben Prüfberichte – im Vergleich zu dem von einem Geschädigten eingeholten eigenen Schadensgutachten schon aus Sicht eines Laien keine größere Vermutung der Richtigkeit, das Schadensgutachten selbst (vgl. AG Münster, Urt. v. 11.09.2020, Az. 28 C 1823/20). Selbst wenn ein Versicherer einem Geschädigten – vor Erteilung des Reparaturauftrags – einen Prüfbericht zusendet, ist dieser keine beachtliche Weisung für die Durchführung der Reparatur (AG Mosbach, Urt. v. 19.02.2021, Az. 5 C 312/20).


Fehlt Prüfberichten der Sachverstand?
Was das AG-Leer von Prüfberichten hält, hat es in seinem Beschluss vom 27.04.2021, Az. 700 C 927/20 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.

Wörtlich heißt es dort:
Das Gericht nimmt zur Kenntnis, dass die … ca. 350 Kfz-Meister sowie weitere ca. 100 IT-Spezialisten beschäftigen soll. Bedauerlicherweise hat dieser geballte Sachverstand kaum Niederschlag in der sogenannten „Rechnungsprüfung“ vom 28.02.2020 gefunden. Die dort genannten Daten sind in weiten Teilen unsubstantiiert. Die Grundlagen der genannten Werte werden nicht mitgeteilt. Dies betrifft insbesondere die Angaben zum Arbeitslohn. Es erschließt sich in keiner Weise, auf welcher Grundlage ein Abschlag in Höhe von 322,09 € für erforderlich gehalten wird. Erforderlich wäre eine detaillierte Aufstellung der aus Sicht der Klägerin erforderlichen Arbeiten. Es müsste dabei im einzelnen mitgeteilt werden, für welche konkreten Arbeitsschritte welcher Arbeitszeitaufwand erforderlich sein soll. Es soll nur vorsorglich darauf hingewiesen werden, dass die Klägerin bei einer Rückerstattungsklage vollumfänglich darlegungs- und beweispflichtig ist.”

Der im Verfahren vorgelegte “Prüfbericht” konnte diese Anforderung jedenfalls nicht erfüllen. 

Aktualisiert am 07.03.2024

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