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Unfallflucht hinter der Schranke?

Voraussetzung einer Straftat nach § 142 StGB ist ein Unfall im öffentlichen Verkehrsraum. Öffentlich ist ein Verkehrsraum jedoch nur, wenn er entweder für jedermann ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten oder aber zumindest für eine allgemein bestimmbare größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen und auch so benutzt wird (OLG Hamm, Beschl. v. 04.03.2008, Az. 2 Ss 33/08; OLG Köln, Beschl. v. 06.06.2000, Az. Ss 227/00).
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28.01.2022
ca. 4 Minuten
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Wie jede gerichtliche Entscheidung, so setzt auch eine Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort voraus, dass sich sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das entscheidende Gericht mit den Details des Falles auseinandergesetzt haben. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil eine Verurteilung wegen Unfallflucht regelmäßig mit dem Entzug der Fahrerlaubnis verbunden ist und zu einem Regress des eigenen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers führt.

Besondere Sorgfalt ist erforderlich, wenn die Fahrerlaubnis bereits im Vorverfahren vorläufig entzogen werden soll. Um nicht über das Ziel hinauszuschießen, müssen dringende Gründe dafür sprechen, dass die Fahrerlaubnis im Hauptverfahren endgültig entzogen wird. Dennoch passiert es im Eifer des Gefechts immer wieder, dass Staatsanwaltschaften und Ermittlungsrichter kleine aber eben wichtige Details übersehen, wie unter anderem ein Beschluss des LG Arnsberg vom 25.10.2016, Az. 2 Qs 71/16 gezeigt hat. In dem Verfahren wehrte sich ein Autofahrer erfolgreich gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.

Der Sachverhalt

Ein Autofahrer hatte auf dem hinteren Teil eines Betriebsgeländes ein Rolltor beschädigt und sich anschließend ohne weitere  Maßnahmen vom Unfallort entfernt. Allerdings war er bei seiner Aktion beobachtet und im Nachgang angezeigt worden. Die Höhe des Schadens belief sich auf ca. 2.800 Euro. Der erforderliche bedeutende Fremdschaden war somit gegeben. Ein weiteres Detail war allerdings, dass der Unfallort mit Schranken für ein- und ausfahrende Fahrzeuge ausgestattet war.
Als Folge legte ihm die Staatsanwaltschaft ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort zur Last und beantragte – bereits im Vorverfahren – die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Ihrer Auffassung nach stehe zu erwarten, dass auch die Hauptverhandlung eine Entziehung mit sich bringe. Das Amtsgericht gab dem Antrag statt. Es begründete dies damit, dass der Fahrer dringend verdächtig sei, ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt, einen Unfall mit bedeutendem Fremdschaden verursacht und sich vorsätzlich unerlaubt vom Unfallort entfernt zu haben. Zudem ordnete das Gericht die Beschlagnahme des Führerscheins an. Der Autofahrer legte Beschwerde ein. Das Amtsgericht half der Sache aber nicht ab, sondern legte sie dem Landgericht (LG) Arnsberg zur Entscheidung vor.

Die Entscheidung des Landgerichts Arnsberg

Nachdem das Landgericht Arnsberg sich mit dem Sachverhalt befasst hatte, teilte es – vom Grundsatz her – die Auffassung von Staatsanwaltschaft und Amtsgericht, dass die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden könne. Jedoch müssten dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass dem Betroffenen die Fahrerlaubnis entzogen werde (Beschl. v. 25.10.1206, Az. 2 Qs 71/16).

Aber: Das Landgericht konnte keinen dringenden Tatverdacht erkennen und begründete dies wie folgt: Es steht aufgrund der bisher erhobenen Beweismittel nicht fest, dass das gegenständliche Unfallereignis einen Unfall im Straßenverkehr im Sinne von § 142 StGB darstellt. Voraussetzung ist, dass der Unfall sich im öffentlichen Straßenverkehr ereignet hat. Öffentlich ist ein Verkehrsraum jedoch nur, wenn er entweder für jedermann ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten oder aber zumindest für eine allgemein bestimmbare größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen und auch so benutzt wird (OLG Hamm, Beschl. v. 04.03.2008, Az. 2 Ss 33/08; OLG Köln, Beschl. v. 06.06.2000, Az. Ss 227/00).

Die Schranken waren entscheidend!

Die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht hatten übersehen, dass die Zufahrt zum und die Abfahrt vom Werksgelände durch Schranken geregelt wurde. Für das Landgericht war daher nicht nachgewiesen, dass das beschrankte Betriebsgelände auch Teil des öffentlichen Verkehrsraum ist. Seiner Auffassung nach war „nicht auf den inneren Willen des Verfügungsberechtigten, sondern auf die für etwaige Benutzer erkennbaren äußeren Gegebenheiten abzustellen“ (BGH, Urt. v. 04.03.2004, Az. 4 St 377/03). Da der Zugang nur bei geöffneter Schranke möglich war, war kaum von öffentlichem Verkehrsraum auszugehen.

Dem Amtsgericht Dortmund zufolge, (Beschl. v. 01.09.2020, Az. 723 Cs – 268 Js 1007/20 – 276/20; LG Düsseldorf, Urt. v. 06.05.2011, Az. 29 Ns 3/11), ist auch bei Einkaufswagenfällen auf Kundenparkplätzen nicht zwingend von einer Verkehrsunfallflucht im Sinne des § 142 StGB auszugehen. An den Entscheidungen des OLG Düsseldorf (Urt. v. 07.11.2011, Az. III-1 RVs 62/11, 1 RVs 62/11) und OLG Koblenz (Urt. v. 03.12.1992, Az. 1 Ss 306/92), denen zufolge sich auch ein Fußgänger strafbar machen kann, wenn dessen – auf einem allgemein zugänglichen Kaufhausparkplatz geschobener – Einkaufswagen außer Kontrolle gerät, gegen ein geparktes Fahrzeug stößt und dieses beschädigt, vermag dies aber nichts zu ändern.

Auch “das Vorbeischieben von auf Rollen beweglichen Mülltonnen an parkenden Fahrzeugen im öffentlichen Straßenraum, damit sie später zum Müllfahrzeug gebracht werden können, steht nach der natürlichen Verkehrsauffassung in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Verkehrsgeschehen. Zu Recht führt die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung aus, dass das Abstellen von Handwagen, Fuhrwerken, Schlitten und sonstigen Gefährten wie Einkaufswagen jedenfalls so lange einen Verkehrsvorgang bildet, als es darum geht, daß dieses verkehrssicher geschehen muss, d. h. z. B. parkende Autos nicht beschädigt” (LG Berlin, Beschl. vom 27.06.2006, Az. 526 Qs 162/06). Nichts anderes gilt übrigens z.B. für Fälle des Ausparkens, wenn ein anderes Fahrzeugs beschädigt wird und sich „die typischen Gefahren des Straßenverkehrs verwirklicht haben“  und “sich in dem Schadensereignis ein verkehrstypisches Unfallrisiko realisiert hat”(vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2001, Az. 4 StR 233/01).

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