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Motorradunfall bei „schlechten Wetterverhältnissen”

Wenn nach einem Unfall ein Bußgeld wegen Fahrens mit unangepasster Geschwindigkeit bei schlechten Sicht- oder Wetterverhältnissen verhängt werden soll, muss sich die Behörde näher mit den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen zum Unfallzeitpunkt befassen. Denn selbst wenn es kein "Grundrecht" gibt, immer und überall die zulässige Höchst- beziehungsweise die Richtgeschwindigkeit zu fahren, ist zu erläutern, warum die Stelle zum Unfallzeitpunkt nicht mit der höchstzugelassenen Geschwindigkeit befahren werden durfte.
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28.04.2021
ca. 3 Minuten
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Wenn nach einem Unfall ein Bußgeld wegen Fahrens mit unangepasster Geschwindigkeit bei schlechten Sicht- oder Wetterverhältnissen verhängt werden soll, muss sich die Behörde näher mit den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen zum Unfallzeitpunkt befassen. Denn selbst wenn es kein “Grundrecht” gibt, immer und überall die zulässige Höchst- beziehungsweise die Richtgeschwindigkeit zu fahren, ist zu erläutern, warum die Stelle zum Unfallzeitpunkt nicht mit der höchstzugelassenen Geschwindigkeit befahren werden durfte (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.11.2020, Az. 1 OWi 2 Ss Rs 107/20).

Was war passiert?

Ein Motorradfahrer war im Oktober 2018 nach 22 Uhr auf einer Landstraße unterwegs. Beim Durchfahren einer Kurve rutschte das Motorrad auf feuchter Fahrbahn weg und Biker sowie Motorrad kollidierten mir einem am Straßenrand stehenden Schild. Dabei wurden Schild und Motorrad beschädigt, der Motorradfahrer selbst erlitt einen Beckenbruch.” Das Amtsgericht Pirmasens setzte gegen den Motorradfahrer eine Geldbuße in Höhe von 145 Euro fest (§§ 3 Abs. 1, 1 Abs. 249 StVO, § 24 StVG, 8.1. BKat, § 3 Abs. 3 BKatV i.V.m. Tabelle 4 im Anh. zu § 3 Abs. 3 BKatV) und erlegte ihm die Kosten des Verfahrens auf ( § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 465 Abs. 1 StPO). Der Motorradfahrer legte dagegen Rechtsbeschwerde ein.

Welche Geschwindigkeit ist zulässig?

Gemäß § 3 StVO darf der Führer eines Fahrzeugs nur so schnell fahren, dass er das Fahrzeug ständig beherrscht. Die Geschwindigkeit hat er dabei insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Wenn die Sichtweite infolge von Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m beträgt, darf die Geschwindigkeit höchstens 50 km/h betragen. Zudem darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann.
Die Feststellungen dürfen nicht nur rudimentär sein!
Das Amtsgericht Pirmasens hatte lediglich festgestellt, dass der Motorradfahrer zum Zeitpunkt des Unfalls mit unangepasster Geschwindigkeit unterwegs gewesen sei. Mit den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnisse zum Unfallzeitpunkt und warum die Unfallstelle zum Unfallzeitpunkt nicht mit der höchstzugelassenen Geschwindigkeit hätte befahren werden dürfen, hatte es sich augenscheinlich nicht befasst. Zudem fehlten in dem Urteil Ausführungen dazu, ob der Unfall nicht auch auf andere naheliegenden Ursachen, wie z.B. Fahrfehler oder eine besondere Fahrbahnbeschaffenheit (Spurrillen, Ölspur, vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.08.1998, Az. 2 Ss (OWi) 289/98 – (OWi) 85/98 III) hätte zurückgeführt werden können.

Was sagt das OLG?

Dem OLG zufolge, hätte das Urteil möglichst konkrete Feststellungen zur gefahrenen Geschwindigkeit enthalten müssen. Dies wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil in dem zu beurteilenden Sachverhalt andere Tatbestandsalternativen der Nr. 8.1. BKat nicht einschlägig waren.  Das Amtsgericht hätte daher Feststellungen zu den konkreten Sicht- und Wetterbedingungen sowie dem Unfallhergang und dem eingetretenen Sachschaden treffen müssen. Einzelfallabhängig können die Tatsache eines Unfalls, dessen Ablauf und die festgestellten Unfallschäden zwar als objektive Anhaltspunkte ausreichen, um eine zu hohe Geschwindigkeit anzunehmen. Generalisieren lässt sich dies jedoch nicht.

Die Feststellung einer feuchten Fahrbahn reicht nicht!

Das Amtsgericht hatte angenommen, es habe zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nach § 3 StVO genügt, dass die Fahrbahn feucht gewesen war. Das OLG Zweibrücken sah dies anders und führte aus, dass der Bestimmtheitsgrundsatz auch im Bußgeldrecht gilt. Das Amtsgericht hätte sich daher auch damit auseinandersetzen müssen, ob nicht auch andere Umstände, wie z.B. Aquaplaning oder starker Regen mit Sichtbehinderung und Lichtreflexen zu dem Unfall hätten führen können. Dies war unterblieben. Da das OLG nicht ausschließen konnte, dass anderer Feststellungen zu einer Verurteilung des Betroffenen führen könnten, verwies es die Sache zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht zurück.
Siehe auch: Schlechtwetter voraus! – Kanzlei Voigt (kanzlei-voigt.de)
 

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