hello world!
hello world!

Verbringungskosten

Informationen
07.03.2024

Im Sachverständigengutachten sind oft sogenannte Verbringungskosten enthalten. Diese fallen regelmäßig an, wenn die vom Geschädigten beauftragte Reparaturwerkstatt keine eigene Lackiererei hat und das verunfallte Fahrzeug zum Lackieren in einen Fremdbetrieb gebracht und wieder abgeholt werden muss. Schließlich ist es Geschädigten weder zuzumuten, dass sie eine Werkstatt suchen, die über eine eigene Lackiererei verfügt noch kann erwartet werden, dass sie ohne Weiteres erkennen können, dass die Verbringungskosten der gewählten Werkstatt höher sind als anderswo (AG Kiel, Urt. v. 08.07.2019, Az. 116 C 58/19; s.a. AG Eckernförde, Urt. v. 15.10.2019, Az. 6 C 682/18).

 

Wenn ein Versicherer den Anfall von Verbringungskosten – z.B. im Rahmen eines Prüfberichts –  bestreitet, muss er vortragen „welche konkrete dem Kläger zumutbare Werkstatt keine UPE-Aufschläge erhebt und Lackierarbeiten selbst ausführt, so dass keine Verbringungskosten anfallen“ (OLG Dresden, Urt. v. 27.07.2021, Az. 14 U 2150/20). Jedenfalls kann von einem Geschädigten nicht verlangt werden, „vorher in Erfahrung zu bringen, welche Werkstätten über eine Lackiererei verfügen, welche dieser Werkstätten im Übrigen zur Ausführung der Reparatur geeignet wären und welche nicht“ (AG Kiel, Urt. v. 23.09.2021, Az. 108 C 88/20; AG Braunschweig, Urt. v. 13.02.2019, Az. 113 C 2269/18).

 

Handelt es sich bei dem Fahrzeug um einen Spezialumbau mit Einzelstückcharakter und ist eine Reparatur daher nur beim Hersteller möglich, sind auch die Kosten der Verbringung zum Hersteller zu ersetzen (LG München II, Urt. v. 09.04.2020, Az. 10 O 3894/17). Abgesehen davon sind Verbringungskosten unabhängig davon zu erstatten, ob das gesamte Fahrzeug verbracht wird, oder nur Teile davon (AG Niebüll, Urt. v. 08.01.2021, Az. 10a C 76/20).

 

In sogenannten Prüfberichten wird  zwar immer wieder gern behauptet, es sei „marktüblich“, dass die Abholung der Fahrzeuge durch die Lackiererbetrieb erfolge. Belege, die diese Behauptung stützen könnten, werden in der Regel selbst dann nicht vorgelegt, wenn der – nach den Vorgaben des beauftragenden Versicherers arbeitende – Prüfdienstleister umfangreiches Expertenwissen für sich reklamiert (vgl. AG Leer, Beschl. v. 27.04.2021, Az. 700 C 927/20).

 

Wenn fiktiv abgerechnet wird, weigern sich Versicherer in der Regel die Verbringungskosten zu erstatten. Dies ist falsch, denn nach der Rechtsprechung müssen Verbringungskosten zumindest dann erstattet werden, wenn sie nach den örtlichen Gepflogenheiten bei einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen (z.B. AG Mülheim/Ruhr, Urt. v. 02.03.2022, Az. 27 C 864/21; OLG Celle, Urt. v. 10.11.2021, Az. 14 U 136/20; AG Hoyerswerda, Urt. v. 25.06.2021, Az. 1 C 194/19; AG Pinneberg, Urt. v. 03.03.2021, Az. 62 C 86/20; AG Rheine, Urt. v. 31.08.2020, Az. 10 C 30/20). Auch ist es irrelevant, ob die – an unterschiedlichen Standorten angesiedelten – Unternehmen rechtlich miteinander verbunden sind oder nicht. Entscheidend ist, dass das Fahrzeug von einem Standort zu einem anderen gebracht werden muss und dass hierdurch Kosten anfallen, auf die der Geschädigte keinen Einfluss hat AG Leipzig, Urt. v. 08.12.2021, Az. 113 C 897/21).

 

Bei der Berechnung der Verbringungskosten gilt zudem, dass nicht nur die reine Fahrt-, sondern auch die für die Be- und Entladung, einschließlich Sicherungsmaßnahmen und Entsicherungsmaßnahmen erforderliche Zeit berücksichtigt werden muss (AG Tettnang, Urt. v. 17.03.2022, Az. 3 C 836/21).

 

Wendet ein Versicherer gegenüber dem Geschädigten ein, die Werkstatt habe zu hoch abgerechnet, weil sie Verbringungskosten berechnet hätte, die gar nicht oder nicht in der abgerechneten Höhe angefallen seien, geht dieser Einwand fehl, da Verbringungskosten dem Werkstattrisiko zuzurechnen sind (z.B. AG Duisburg, Urt. v. 11.04.2021, Az. 504 C 89/21; AG Erlangen, Urt. v. 17.10.2019, Az. 1 C 1012/19; AG Rendsburg, Urt. v. 25.06.2019, Az. 42 C 15/19; AG Bad Segeberg, Urt. v, 03.05.2018, Az. 17 CV 33/17, m.w.N.). Ungeachtet dessen besteht für einen Geschädigten insbesondere dann kein Grund an der Plausibilität  der Verbringungskosten zu zweifeln, wenn deren Höhe mit den angaben im Gutachten übereinstimmt (AG Dinslaken, Urt. v. 06.07.2023, Az. 32 C 147/22).

Bei der Berechnung der Verbringungskosten ist dabei zu berücksichtigen, dass nicht nur die reine Fahr-, sondern auch die mit der Be- und Entladung, einschließlich der mit den erforderlichen Sicherungsmaßnahmen verbundenen Zeit berücksichtigt werden müssen (AG Tettnang, Urt. v. 17.03.2022, Az. 3 C 836/21).

 

Betriebe dürfen (und müssen) Gewinne erwirtschaften

 

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des LG Baden-Baden v. 07.10.2021, Az. 3 S 5/21. Da es Betrieben gestattet ist, „auch im Rahmen der Reparatur unfallbeschädigter Fahrzeuge Gewinne zu erzielen“, sind sie nicht gehalten, z.B. von einem Subunternehmer erhaltene Rabatte an den an den Versicherer weiterzuleiten und „nur zum Einkaufspreis“ abzurechnen. Folglich besteht auch keine Pflicht, „ausgehandelte Pauschalbeträge für Transporte durch Dritte weiterzugeben“ (LG Berlin, Urt. v. 07.09.2021, Az. 45 O 203/19).

 

Verbringungskosten zählen übrigens auch in der Kaskoversicherung zu den erforderlichen Reparaturkosten, die nach dem Versicherungsvertrag erstattungsfähig sind (z.B. AG Coburg, Urt. v. 15.11.2019, Az. 17 C 852/19; AG Zeven, Urt. v. 25.09.2019, Az. 3 C 150/19). Dem AG Niebüll (Urt. v. 29.09.2020, Az. 10a C 543/19) oder dem AG Coburg (Urt. v. 18.02.2021, Az. 17 C 1431/20) zufolge, ist die Erstattungspflicht gegeben, wenn der vom Geschädigten eingeschaltete Sachverständige sie als „übliche Ersatzteilkosten auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.“ 

 

Übrigens

 

Verlangt ein Versicherer Auskunft darüber zu welcher Werkstatt das Fahrzeug verbracht worden ist, um daraus möglicherweise eine Pflichtverletzung und einen entsprechenden Schadensersatzanspruch abzuleiten ist dies als unzulässige Ausforschung einzustufen. In einem Urteil des LG Karlsruhe (Az. 19 S 621/20, v. 08.12.2021) heißt es dazu wie folgt: „Der Auskunftsanspruch darf mithin nicht dazu führen, dass mit diesem überhaupt erst ermittelt wird, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, die einen Schadensersatzanspruch rechtfertigen könnte, weil eine Verpflichtung des Gegners, vorab über alle denkbaren Pflichtverletzungen Auskunft zu erteilen, der Beweislastregel des § 280 Abs. 1 BGB zuwiderlaufen würde. Der aus § 242 BGB hergeleitete Auskunftsanspruch kann daher nur dann bestehen, wenn keine Gefahr einer Ausforschung des Auskunftspflichtigen besteht (BGH, Urt. v. 20.06.2013, Az. I ZR 55 (12)

 

In einem, Urteil des AG Mönchengladbach (Az. 11 C 254/22 v. 22.11.2022) heißt es ebenso deutlich:  “Der Umstand allein, dass jemand Kenntnis von Tatsachen hat oder haben könnte, die für einen anderen von Bedeutung sein mögen, verpflichtet ihn nicht zur Auskunftserteilung; denn eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Auskunftspflicht ist dem bürgerlichen Recht unbekannt (BGH, Urteil vom 18. Januar 1978 – VIII ZR 262/76 ). Ein auf § 242 BGB gegründetes Auskunftsrecht besteht aber dann, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchführung seines Zahlungsanspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann, der Verpflichtete sie unschwer zu geben vermag und zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten eine besondere rechtliche Beziehung besteht.

 

Auch der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen hatte sich bereits mit den Verbringungskosten zu befassen. Konkret ging es in dem Verfahren darum, das AG Wuppertal (Az.  32 C 226/20 v. 24.06.2021) habe den angebotenen Beweis dafür, dass die Kosten für die Verbringung tatsächlich angefallen seien, nicht berücksichtigt. Die Beschwerdeführerin hatte vorgetragen, “die beauftragte Werkstatt verfüge unstreitig über keine eigene Lackiererei und die Abrechnung von Verbringungskosten in Form einer Pauschale sei dem Gericht sei zudem aus mehreren – vom Beschwerdeführer konkret benannten – anderen Verfahren bekannt gewesen. Zur Üblichkeit der pauschalisierten Abrechnung, s.a. AG Lüdenscheid, Urt. v. 10.10.2023, Az. 86 C 276/21.

 

In seiner Entscheidung stellte der Verfassungsgerichtshof fest  “Ein Fachgericht verstößt auch dann gegen die Pflicht, nach seiner materiellen Rechtsauffassung erhebliches Vorbringen zu berücksichtigen, wenn es den wirklichen Inhalt beziehungsweise den wesentlichen Kern des Parteivorbringens übergeht bzw. nicht richtig erfasst und es dadurch fälschlich als unerheblich ansieht (hier bezogen auf den Begriff der Verbringungskostenpauschale oder „Pauschale Verbringungskosten“ für Kosten der Verbringung eines Unfallwagens von der Reparaturwerkstatt in eine externe Lackiererei)” (Beschl. v. 21.06.2022, Az. VerfGH 104/21.VB-2 ).

 

 

Themenbezogene Links

Fiktive Abrechnung

Neues Urteil zu Verbringungskosten

Stichwort teilen bei
Zurück zur Übersicht

Ansprechpartner

Christian Eicken

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
dortmund@kanzlei-voigt.de
Zum Profil

Dr. Wolf-Henning Hammer

Zum Profil
calendar-fullmagnifiercross