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Elektrokleinstfahrzeuge

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27.06.2023
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Elektrokleinstfahrzeuge sind Kraftfahrzeuge im Sinne des § 1 Absatz 2 StVG, da sie über einen elektrischen Antriebsmotor verfügen. Deshalb gelten für sie dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen wie für andere Kraftfahrzeuge.

 

Am 17.05.2019 hatte der Bundesrat der „Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr und zur Änderung weiterer straßenverkehrs-rechtlicher Vorschriften“  (eKFV) zugestimmt.

 

Das Bundeskabinett stimmte der Verordnung am 22.05.2019 zu, die dann Mitte Juni 2019 in Kraft trat.

 

Haftungsrechtliche Probleme

 

Wie das LG Münster (Urt. v. 09.03.2020, Az. 08 O 272/19) bestätigt hat, führt die Regelung bei E-Scootern – in bestimmten Sachverhaltskonstellationen zu erheblichen Problemen.

 

E-Scooter sind Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h. Sie unterfallen damit der Ausnahmeregelung des § 8 Nr. 1 StVG. Die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung bei einem Unfall (§ 7 Abs. 1 StVG) ist somit ausgeschlossen. Eine analoge Anwendung scheidet aus. Der eindeutige Wortlaut des § 8 Nr. 1 StVG steht einer verschuldensunabhängigen Haftung entgegen. (AG Frankfurt, Urt. 22.04.2021, Az. 29 C 2811/20 (44); LG Münster vom 09.03.2020, Az. 8 O 272/19).

Wörtlich heißt es in der Entscheidung des AG Frankfurt: “Die Vorschrift des § 8 StVG war dem Gesetzgeber bei Verabschiedung der eKFV bereits bekannt und hätte bei Bedarf bereits zu diesem Zeitpunkt eine Änderung hätte vornehmen können. Insbesondere ist die Regelung, obwohl von derartigen Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr heute eher größere als geringere Gefahren ausgehen, durch das 2. SchadÄndG nicht aufgehoben oder geändert worden”.

Lässt sich ein Verschulden des E-Scooter-Fahrers im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB (d.h. mindestens Fahrlässigkeit) nicht beweisen, haften bei einem Unfall weder der Fahrer noch der Haftpflichtversicherer des E-Scooters.

 

Ungeachtet dessen, sind E-Scooter als Kraftfahrzeuge im Sinne von § 316 StGB einzustufen. In einem Beschluss des LG Köln vom 09.10.2020 (Az.: 117 QS 105/20) heißt es dazu wörtlich: „E-Scooter ähneln im Hinblick auf ihre potenzielle Gefährlichkeit einem Kraftfahrzeug. Denn sie sind motorisiert und erfordern durch ihre erheblich schnellere Fortbewegungsmöglichkeit und Beschleunigungsmöglichkeit  eine höhere Leistungsanforderung an den Fahrer eines solchen E-Scooters als an den Fahrer eines Fahrrads. Daher ist ihre Fahrweise beispielsweise eher einem Mofa als einem Fahrrad ähnlich.“

 

Das OLG Zweibrücken hat in einem Beschluss vom 29.06.2021 nachvollziehbar ausgeführt, dass zwar Elektrofahrräder innerhalb der Vorgaben des § 1 Abs. 3 StVG keine Kraftfahrzeuge sind (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.07.2020, Az. 2 Rv 35 Ss 175/20). Für E-Scooter, Segways und andere Fahrzeuge i.S.d. § 1 eKFV (Elektrokleinstfahrzeuge VO) hat es dagegen bekräftigt, dass sie dem Kraftfahrzeugbegriff unterfallen (s.a. BayObLG, Beschl. v. 24.07.2020, Az. 205 StRR 216/20).

 

Elektrokleinstfahrzeuge und Alkohol

 

Da Elektrokleinstfahrzeuge Kraftfahrzeuge sind (vgl. BT- Drucksache 158/19 Seite 1 “… sind sie Kraftfahrzeuge nach § 1 Abs. 2 StVG.”; BayObLG NZV 2020, 576), gelten auch hier die allgemeinen Grenzwerte zur Blutalkoholkonzentration für Kraftfahrer (s.a. KG, Beschl. v. 31.05.2022, Az. (3) 121 Ss 40/22 (13/22).

Die Rechtsprechung lehnt eine Anhebung der Grenzwerte für alkoholisierte Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen, namentlich von E-Scootern ab. Begründet wird dies damit, dass auch Führer eines Elektroskooters ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,10 ‰ (absolut) fahruntauglich im Sinne von §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a)316 Abs. 1 StGB sind. (z.B. KG Berlin, Urt. v. 10.05.2022, Az. 3 Ss 27/21; LG Stuttgart, Beschl. v. 12.03.2021, Az. 18 Qs 15/21; BayObLG München, Beschl. v. 24.07.2020, Az. 205 StRR 216/20; LG Dortmund, Beschl. v. 07.02.2020, Az. 31 Qs 1/20 allg.). Der BGH (Beschl. v. 02.03.2021, Az. 4 StR 366/20) sowie das LG Halle (Beschl. v. 16.07.2020, Az. 3 Qs 81/20) haben die Frage offen gelassen.

Das Kammergericht Berlin hat sich diesbezüglich – in einem Urteil vom 10.05.2022 (Az. (3) 121 Ss 67/21 (27/21) – auf eine Studie des rechtsmedizinischen Instituts der Universität Düsseldorf berufen.

 

Wörtlich heißt es in dem Urteil:

 

“Das rechtsmedizinische Institut der Universität Düsseldorf hat unter Heranziehung von 57 Probandinnen und Probanden die fahrerische Leistungsfähigkeit von E-Scooterfahrern in Abhängigkeit von Alkoholkonsum empirisch untersucht. Die Teilnehmer der Studie mussten einen Parcours, der verschiedene Verkehrssituationen simulierte, mehrfach nüchtern und unter (steigendem) Alkoholeinfluss durchfahren.

 

Dabei ist festgestellt worden, dass die fahrerische Leistungsfähigkeit der Teilnehmer unabhängig von deren Geschlecht bereits bei geringen Blutalkoholwerten beträchtlich abnahm. Bei einer BAK von 0,21 bis 0,60 ‰ (Anmerkung des Senats: Der Studie ist zu entnehmen, dass die Maßeinheiten g/kg und ‰ gleichgesetzt worden sind) wurde ein erhöhtes Risiko riskanter Fahrweise beobachtet. Ab 0,21 ‰ imponierte eine durchschnittliche Verschlechterung der Fahrleistungen um 43 %, ab 0,81 ‰ um 62 % und ab 1,01 ‰ um 72 %. Ab 0,81 ‰ ist bei den Probandinnen und Probanden in vier von sieben Disziplinen eine signifikante Erhöhung der Fehlerquote, insbesondere bei dem Durchfahren von 1,30 Meter breiten, in einem Slalomkurs angeordneten Toren festgestellt worden. In dem BAK-Bereich, der nach deutschem Recht der Schwelle zur absoluten Fahruntüchtigkeit für Kraftfahrzeugführer am nächsten kommt (1,01 bis 1,20 ‰), war die individuelle Fahrleistung ausweislich der Studie stark herabgesetzt. Deren Verfasser kommen auf der Grundlage dessen zu dem Schluss, dass ab einem Wert von 0,81 ‰ von E-Scooterfahrern eine erhöhte Gefährdung von Fußgängern zu erwarten ist.”

Auch gegen einen alkoholbedingt fahrunsicheren Fahrer eines EScooters können die Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet werden (KG, Beschl. v. 31.05.2022, Az. (3) 121 Ss 40/22 (13/22).

 

 

Voraussetzung für die Strafbarkeit ist allerdings, dass der Roller aus eigener, d.h. Motorkraft fortbewegt wird.  Die Ansichten darüber, ob ein  “Gebrauchen” im Sinne von § 6 PflVG vorliegt, wenn ein Kraftfahrzeug durch (betriebs-) fremde Kräfte – beispielsweise durch bloßes Schieben, Ziehen oder durch die eigene Körperkraft – im Verkehr bewegt wird, gehen indes auseinander.

Das LG Hildesheim (Urt. v. 20.09.2022, Az. 13 Ns 40 Js 25077/21) hat dies verneint. Bejaht haben ein Führen, auch wenn das Fahrzeug – durch Abstoßen mit den Füßen vom Boden, d.h. durch eine Tätigkeit “angetrieben” wird, ohne die eine zielgerichtete Fortbewegung des Fahrzeugs im Verkehr unmöglich wäre, der Bayerische VGH (Beschl. v.  21.03.2016, Az. 11 CS 16.175) oder das OLG Düsseldorf (Urt. v. 29.09.1981, Az. 2 Ss 426/81 – 219/81 II).

 

Unter Bezugnahme auf den BGH (Urt. v. 09.07.1959, Az. 2 StR 240/59 heißt es z.B. in dem Urteil Bayerischen VGH, dass “es auf den “Bewegungsvorgang”  oder das “Abrollenlassen” eines Kraftfahrzeugs  ankommt, wobei der Motorkraft als Ursache der Bewegung keine Bedeutung zukommt.”

 

Zu Verkehrs-Straftaten im Zusammenhang mit E-Scootern: BGH, Beschl. v. 02.03.2021, Az. 4 StR 366/20.

 

Inhalte der Elektrokleinstfahrzeugverordnung

 

Die Grafik des BMVI gibt einen Überblick über wichtige Inhalte der „Elektrokleinstfahrzeugverordnung“

 

Grafik zu Elektrorollern

 

 

 

 

 

 

Ergänzendes Material: Deutscher Bundestag

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Dr. Wolf-Henning Hammer

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