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Sachverständigenkosten

Informationen
25.07.2023

Der ständigen Rechtsprechung zufolge, gehören die Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zu den unmittelbar mit dem Schaden verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Vermögensnachteilen (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2004, Az. VI ZR 365/03). Ersatzfähig sind dabei nicht nur die Kosten des Sachverständigengutachtens als solchem, sondern z.B. auch diejenigen für den Einsatz einer Hebebühne oder die Begleitung des Sachverständigen anfallen (AG Nördlingen, Urt. v. 31.05.2023, Az. 3 C 219/23; AG Hamburg Altona, Urt. v. 26.06.2019, Az. 318c C 25/19).

 

Sie sind auszugleichen, soweit das Gutachten zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, Urt. v. 19.07.2016, Az. VI ZR 491/15; AG Potsdam, Urt. v. 06.02.2020, Az. 24 C 155/19). Dabei entspricht es billigem Ermessen, wenn der Sachverständige die Höhe seiner Vergütung an dem Wert des Schadens orientiert (AG Essen, Urt. v. 07. 01.1999, Az. 12 C 208/96). Dabei ist es auch nicht zu beanstanden, wenn der Sachverständige eine aus Grundhonorar und Nebenkosten zusammengesetzte Rechnung erstellt (AG München, Urt. v. 11.07.2014, Az. 343 C 7578/14).

Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Enzscheidend ist, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte (AG München, Urt. v. 26.03.2019, Az. 322 C 19773/18).

Der BGH hat hierzu in einem Urteil vom 07.02.2023 (VI ZR 137/22) klargestellt: “Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergibt sich allerdings eine Obliegenheit zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten bzw. später berechneten Preise. Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erweisen”

Ob die Höhe des festgestellten Schadens einen bestimmten Betrag erreicht oder überschreitet (s.a. Bagatellschaden), kann ein Kriterium sein. Dabei ist allerdings zu berücksichtigten, dass die Höhe des festgestellten Schadens zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen noch nicht bekannt ist (AG Essen-Borbeck, Urt. v. 13.01.2023, Az. 23 C 731/22).

 

Bei sogenannten Bagatellschäden wird in der Regel die Vorlage eines Kostenvoranschlags mit Lichtbildern als ausreichend betrachtet.

 

Bei der Beantwortung der Frage, ob die Einschaltung eines Sachverständigen erforderlich ist, ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen (BGH, Urt. v. 30.11.2004, Az. VI ZR 365/03). Dies ist z.B. dann anzunehmen, wenn ein Geschädigter von vornherein erkennen kann, dass ein Gutachten nicht erforderlich ist, weil versteckte Schäden ausgeschlossen sind (AG München, Urt. v. 26.03.2019, Az. 322 C 19773/18) oder wenn ein Versicherer einem Geschädigten gegenüber mehrfach betont, dass der eingereichte Kostenvoranschlag für eine Regulierung nicht ausreichend sei (AG Coesfeld, Urt. v. 19.12.2020, Az. 6 C 81/20).

 

Da der Sachverständige kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist, muss der gegnerische Versicherer in der Regel auch überhöhte Sachverständigenkosten erstatten (AG Offenbach am Main, Urt. v. 20.07.202, Az. 36 C 102/20; OLG Naumburg, Urt. v. 20.01.2006, Az. 4 U 49/05). Etwas anderes kann lediglich dann in Betracht kommen, wenn ein wirtschaftlich denkender Mensch (im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung) die Überhöhung der Sachverständigenkosten hätte erkennen können (AG München, Urt. v. 30.11.2020, Az. 344 C 5810/20), d.h. wenn ein Auswahlverschulden vorwerfbar ist (z.B. AG Krefeld, Urt. v. 23.09.2021, Az. 10 C 73/21; AG München, Urt. v. 14.05.2021, Az. 344 C 2777/21).

 

Was gilt für die Beauftragung des Kfz-Sachverständigen?

 

Ein Geschädigter darf den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen beauftragen. Er ist nicht verpflichtet, zunächst eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014, Az. VI ZR 225/13; AG Meppen, Urt. v. 16.09.2019, Az. 3 C 182/19).

 

Da der vom Geschädigten beauftragte Privatgutachter nicht sein Erfüllungsgehilfe gegenüber dem Schädiger i.S. von §§ 254 II 2, 278 BGB  ist (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 14.10.1992, Az. 13 U 141/92;  v. 13.05.1992, Az. 13 U 14/92), hat der Schädiger grundsätzlich auch die Kosten eines unzutreffenden Privatgutachtens zu ersetzen. Das gilt nur dann nicht, wenn der Geschädigte (gem. § 254 II BGB) die Unrichtigkeit des Gutachtens selbst verschuldet hat, weil er z.B. Vorschäden nicht angegeben hat (z.B. OLG München, Urt. v. 08.07.2020, Az. 10 U 3947/19).

 

Einem Urteil des LG Hamburg v. 09.04.2015, Az. 232 S 45/14 zufolge, kann ein Schädiger (dessen Versicherer) nur dann „den Ausgleich der Sachverständigengebühren in voller Höhe ablehnen, wenn sich dem Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen und Unterzeichnung einer ihm vorgelegten Vergütungsvereinbarung aufdrängen muss, dass Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, weil das Entgelt „deutlich erkennbar“ (BGH, Urteil vom 11.2.2014, Az. VI ZR 225/13, NJW 2014, 1947, 1948) bzw. „erkennbar erheblich“ (BGH, Urteil vom 22.7.2014, Az. VI ZR 357/13, NJW 2014, 3151, 3153) über den üblichen Preisen liegt.“

 

Dies ändert aber grundsätzlich nichts an dem Umstand, dass „nicht der vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Betrag als solcher, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung tatsächlich erbrachte Aufwand einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrags im Sinn von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB liefert (BGH, Urt. v. 29.10.2019, Az. VI ZR 104/19, m.w.N.).

 

Sind die Kosten für ein zweites Gutachten zu erstatten?

 

Geschädigte sind berechtigt, „ein Zweitgutachten einzuholen und die Erstattung der Kosten des Zweitgutachtens bzw. die Freihaltung von der Kostenforderung des Zweitgutachters vom Schädiger zu beanspruchen, wenn das Erstgutachten vom Schädiger oder von dessen Haftpflichtversicherer in Auftrag gegeben worden ist und aus Sicht des Geschädigten begründete Zweifel an der Richtigkeit dieses Gutachtens bestehen“ (AG Lübeck, Urt. v. 24.09.2020, Az.  26 C 853/20).

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Marc Schroeder

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