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Werkstattrisiko

Informationen
07.03.2024

Nach einem Unfall ist der Versicherer des Verursachers dem Geschädigten gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet. Wie dies auszusehen hat, ist in § 249 Abs. 1 BGB geregelt. Danach hat, wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Geschädigte ist also so zu stellen, als ob sich der Schaden nicht ereignet hätte.

 

Bei Sachschäden sind insbesondere die Reparaturkosten zu erstatten. Die Reparaturrechnung der Werkstatt kann dabei als Indiz für die Erforderlichkeit der angefallenen Reparaturkosten gelten, sofern sie im Wesentlichen den Angaben des zuvor eingeholten Schadengutachtens entspricht (BGH, Urt. v.  26.04.2022, Az. VI ZR 147/22; AG München, Urt. v. 29.04.2022, Az. 337 C 14892/21; v. 06.05.2021, Az. 344 C 2777/21).

 

NutzungsausfallMietwagenkosten oder Wertminderung sind weitere Positionen, die hier aber ebenso wenig zu vertiefen sind, wie das einseitige Schadensmanagement der Versicherer. Das Werkstattrisiko schützt Geschädigte  ab dem Zeitpunkt der Erteilung des Reparaturauftrags und unabhängig davon, ob die Rechnung bereits beglichen wurde (z.B. AG Coburg, Urt. v. 09.05.2022, Az. 11 C 769/22; LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 14.04.2021, Az. 2 S 3589/19; v. 27.2.2020 – 2 S 3589/19, LG Saarbrücken, Urt. v. 22.10.2021, Az. 13 S 69/21; AG Duisburg, Urt. v. 11.04.2021, Az. 504 C 89/21). Ob dies auch bei einer Abtretung gilt, ist umstritten (vgl. LG Köln, Urt. v. 14.4.2021,  Az. 9 S 77/19; BGH, Urt. v. 26.04.2022, Az. VI ZR 147/21).

 

Wie das LG Köln in einem Urteil vom 09.02.2022, Az. 13 S 91/22 ausgeführt hat, soll der Geschädigte „gerade vor den Mühen und Risiken einer Auseinandersetzung mit der Werkstatt geschützt werden, so dass die Beurteilung der Erforderlichkeit des für die Reparatur berechneten Betrages nicht von der Bezahlung durch den Geschädigten abhängen kann.“ 

 

Geschädigte können Gutachter und Werkstatt frei wählen!

In der Regel fehlt Geschädigten das Fachwissen, um einen Schaden selbst zutreffend beurteilen zu können. Damit der Schaden ordnungsgemäß und vollumfänglich ermittelt wird, darf der Geschädigte – von offensichtlichen Bagatellschäden abgesehen – einen unabhängigen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragen. Den Grundsätzen der subjektiven Schadenbetrachtung (subjektbezogener Schadensbegriff) entsprechend,  „darf er dabei grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten  Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigte Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß – wie hier – einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren“ (z.B. AG Coburg, Urt. v. 16.02.2022, Az. 12 C 1956/21; AG Düsseldorf, Urt. v. 21.11.2014, Az. 37 C 11789/11). Die Kosten des Gutachtens muss der Versicherer tragen. Die Werkstatt zur Behebung des Schadens darf der Geschädigte im Haftpflichtschadenfall frei wählen. Auf Partnerwerkstätten oder Referenzwerkstätten des gegnerischen Versicherers muss er sich grundsätzlich nicht verweisen lasse. Die Erstellung des Gutachtens schützt übrigens nicht nur den Geschädigten, sondern auch die Werkstatt gegen Kürzungen oder Regressforderungen des Versicherers.

 

Das Werkstattrisiko geht zu Lasten des gegnerischen Versicherers!

Die Grundsätze des Werkstattrisikos hat der BGH bereits 1974 definiert: Demnach schuldet der Schädiger “bei der Instandsetzung eines beschädigten Kraftfahrzeugs als Herstellungsaufwand nach § 249 Satz 2 BGB grundsätzlich auch die Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht hat; die Werkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten” (BGH, Urt. v. 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73).

Ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt wurden, spielt dabei keine Rolle.

Dies gilt auch, wenn sich während der Reparatur herausstellen sollte, dass der Schaden umfangreicher ist als im Gutachten festgestellt oder die Reparatur länger dauert (z.B. AG Coburg, Urt. v. 14.10.2022, Az. 17 C 2275/22; OLG Düsseldorf, Urt. v. 02.04.2019, Az. I-1 U 108/18; AG Köln, Urt. v. 09.01.2019, Az. 265 C 72/19; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 26.06.2018, Az. 5 U 85/17; BGH, Urt. v. 15.10.1991, Az. VI ZR 314/90).

 

In einem Urteil des AG Hildesheim vom 28.02.2020, Az. 19 C 99/18 heißt es treffend:  „Zu den in den Verantwortungsbereich des Schädigers fallenden Mehrkosten gehören auch Kosten für unnötige Zusatzarbeiten, welche durch die Werkstatt ausgeführt wurden (LG Hamburg, Urt. v. 04.06.2013, Az. 302 O 92/11). Die Ersatzfähigkeit von unnötigen Mehraufwendungen ist nur ausnahmsweise dann ausgeschlossen, wenn dem Dritten ein äußerst grobes Verschulden zur Last fällt, so dass die Mehraufwendungen dem Schädiger nicht mehr zuzurechnen sind (LG Hagen, Urt. v. 04.12.2009, Az. 8 O 97/09).“  Es ist daher nur folgerichtig, wenn das AG München (Urt. v. 07.12.2022, Az. 311 C 11723/22) auch solche Positionen dem Werkstattrisiko zurechnet, die ursprünglich noch gar nicht in dem Schadengutachten enthalten waren. Selbst für Verzögerungen infolge krankheitsbedingter Ausfälle hat der Versicherer einzustehen (OLG München, Urt. v. 25.01.2019, Az. 10 U 441/18).

 

Ist das Werkstattrisiko an die Bezahlung der Reparaturrechnung geknüpft?

Was den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag betrifft, genügt der Geschädigte regelmäßig seiner Darlegungs- und Beweislast durch Vorlage der Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Fachunternehmens. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit
des Rechnungsbetrages durch den Schädiger reicht dann nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (BGH, Urt. v. 15.10.2013, Az. VI ZR 471/12).

Die Anwendung der Grundsätze zum Werkstattrisiko setzt nicht voraus, dass der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat. Hat der Geschädigte die Reparaturrechnung allerdings vollständig oder zum Teil nicht beglichen, kann er – will er das Werkstattrisiko nicht selbst tragen – die Zahlung der Reparaturkosten jedoch nicht an sich, sondern nur an die Werkstatt verlangen (BGH, Urteile vom (16.01.2024, Az. VI ZR 253/22, VI ZR 266/22, VI ZR 51/23).

 

Wie wirken sich Lieferschwierigkeiten auf das Werkstattrisiko aus?

Bei Verzögerungen infolge von Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen sind Geschädigte nicht verpflichtet, selbstständig bei anderen Werkstätten oder gar beim Fahrzeughersteller nach der Verfügbarkeit der Ersatzteile zu fragen. Wenn keine gegenteiligen Verdachtsmomente bestehen, dürfen sie sich darauf verlassen, dass die beauftragte Firma sich unter Ausschöpfung aller verfügbaren Möglichkeiten um die zeitnahe Beschaffung der Ersatzteile bemüht (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.03.2021, Az. 1 U 77/20). Insbesondere wenn sich der Reparaturbetrieb die Ersatzteilbestellung sofort aufgegeben und sich die Lieferung der bestellten Ersatzteile durch Umstände verzögert hat, die außerhalb seiner Einflusssphäre liegen, sind Schwierigkeiten bei der Ersatzteilbeschaffung nicht dem Geschädigten zuzurechnen (z.B. LG Lübeck, Urt. v. 15.01.2021, Az. 17 O 345/19; AG Velbert, Urt. v. 12.12.2023, Az. 17 C 102/23; AG Münster Urt. v. 27.09.2022, Az. 7 C 1174/22). Dies gilt nicht zuletzt dann, wenn die Werkstatt dem Geschädigten bei telefonischen Erkundigungen mitgeteilt hat, es sei in “allernächster Zeit” mit der Lieferung der Ersatzteile zu rechnen (OLG Celle, Urt. v. 132.09.2023, Az. 14 U 19/23)

 

So hatte z.B. das LG Chemnitz (Az. 2 O 1207/22 v. 28.07.2023) den entschädigungspflichtigen Versicherer zur Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung über einen Zeitraum von 42 Tagen verurteilt, nachdem sich die Lieferung des Ersatzteils für den unfallbeschädigten Stoßfänger verzögert hatte. Mitentscheidend war, dass es sich bei dem Geschädigte um einen technischen Laien gehandelt hatte der nicht davon ausgehen musste, “das se er im Falle der Beschädigung eines Stoßfängers als sicherheitsrelevante Komponente das Fahrzeug trotzdem betreiben kann.”  Weiter heißt es in dem Urteil: “Zudem wäre ihm dies schon wegen der Möglichkeit rechtlicher Nachteile im Falle einer Überprüfung des Fahrzeugs oder im Falle eines weiteren Unfalls nicht zumutbar gewesen.” Dem AG Gifhorn zufolge, sind Geschädigte zudem “nicht gehalten nachzufragen, wie lange die Reparatur in Anspruch nehmen wird und ob Ersatzteilevorhanden sind” (Urt. v. 01.04.2022, Az. 33 C 639/21).

 

Etwas anderes kann gelten, wenn den Geschädigten ein vorwerfbares Auswahlverschulden trifft (z.B. BGH, Urt. v. 26.04.2022, Az. VI ZR 147/21 m.w.N.; AG Forchheim, Urt. v. 03.12.2019, Az. 70C 530/19).

 

Der BGH begründet dies mit dem Gedanken, dass bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu berücksichtigen ist, dass den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind (z.B. Urteile v. 26.04.2022, Az. VI ZR 147/22; v. 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73, v. 02.12.1975; Az. VI ZR 249/73). Wenn und sobald der Geschädigte den Reparaturauftrag erteilt und die Angelegenheit in die Hände von Fachleuten gegeben hat, kann ihm ein unsachgemäßes oder unwirtschaftliches Arbeiten des Betriebs nicht zur Last gelegt werden (z.B. BGH, Urt. v. 26.04.2022, Az. VI ZR 147/21; AG Wolfratshausen, Urt. v. 31.01.2023, Az. 5 C 504/22; AG Erlangen, Urt. v. 17.10.2019, Az. 1 C 1012/19; AG Landau (Isar), Urt. v. 21.12.2017, Az. 4 C 318/17). Dies gilt selbst dann, wenn die Werkstatt unnötige Arbeiten in Rechnung stellt oder überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt (z.B. AG Lüdenscheid, Urt. v. 11.03.2021, Az. 96 C 341/20). Ein Mehraufwand von etwa 10 % ist als innerhalb des akzeptablen Toleranzbereichs zu werten und erfordert keine Rückfrage beim Schädiger, bzw. dessen Versicherer (vgl. AG Wangen, Urt. v. 23.05.2020, Az. 4 C 131/20). Zudem ist es für einen durchschnittlichen Auftraggeber nicht zumutbar, jede einzelne Rechnungsposition abzugleichen (AG Coburg, Urt. v. 11.10.2021, Az. 15 C 2304/21). Auch Doppelberechnungen können schadenrechtlich nur dann relevant sein, wenn sie für den Geschädigten offensichtlich waren (AG. Coburg, Urt. v. 20.09.2023, Az. 20 C 1793/23).

 

In einem Beschluss vom 16.03.2022, Az. 15 C 400/22 hat das AG Coburg die Prinzipien des Werkstattrisikos in einem bemerkenswerten Urteil zusammengefasst und sich deutlich zur Praxis auf Seiten der Versicherungswirtschaft geäußert.  Wörtlich heißt es dort: „So hat alleine das Amtsgericht Coburg in den letzten Jahren zur identischen Streitproblematik Tausendfach (!) in Verfahren gegen die Beklagte entschieden, dass das Werkstattrisiko, wenn also die Werkstatt falsch, zu lange oder zu teuer repariert, nicht zu Lasten des Geschädigten und Auftraggebers geht, sondern dem Schädiger und damit der eintrittspflichtigen Versicherung zum Nachteil gereicht. Bereits 2018 hat der erkennende Spruchrichter in einem viel zitierten Urteil hierzu geschrieben, dass der Beklagten offenbar allgemeine Schadensersatzgrundsätze unbekannt sind oder aber bewusst zum Nachteil des Geschädigten ignoriert werden“.

 

Das AG Oldenburg zielt mit einem Urteil vom 04.05.2022 (Az. 7 C 7011/22) in die gleiche Richtung. Demzufolge kann einem Geschädigten, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und die Angelegenheit in die Hände von Fachleuten gegeben hat, ein unsachgemäßes oder unwirtschaftliches Verhalten des Betriebes nicht mehr zur Last gelegt werden. Wörtlich heißt es in dem Urteil: “Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei der Wiederherstellung des vorherigen Zustandes im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. … Das Werkstattrisiko (wie auch das Prognoserisiko) geht insofern zu Lasten des Schädigers”.  Es ist daher für das Werkstattrisiko auch unbeachtlich, ob die berechneten Arbeiten auch tatsächlich durchgeführt worden sind. Dem AG Coburg zufolge, ist der Schädiger / der eintrittspflichtige Versicherer ausreichend geschützt, wenn ihm mögliche Regressansprüche abgetreten werden (Urt. v. 01.03.2023, Az. 18 C 4652/22). Dies gilt auch für etwaige Fehlabrechnungen, die dem Geschädigten nicht hätten auffallen müssen (AG Bruchsal, Urt. v. 23.03.2023, Az. 4 C 163/22). Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass wenn ein Versicherer von sich aus die Lieferung der fehlenden Ersatzteile liefern will, dies eine Teilkündigung des Werkstattvertrages wäre. Die in diesem Fall entgehende Marge kann die Werkstatt dem Kunden gemäß § 648 BGB berechnen. Dieser kann den in Rechnung gestellten Betrag dann wiederum vom entschädigungspflichtigen Versicherer erstattet verlangen.

 

Grundsätzlich dürfen Geschädigte dürfen der Werkstatt vertrauen! 

Bei der Beauftragung einer Fachwerkstatt dürfen Geschädigte grundsätzlich darauf vertrauen, dass diese keinen unwirtschaftlichen Weg für die Schadensbeseitigung wählt. Sie sind daher nicht gehalten, vor der Beauftragung der Fachwerkstatt zunächst ein Sachverständigengutachten einzuholen und den Reparaturauftrag auf dieser Grundlage zu erteilen. Aber selbst wenn ein Geschädigter ein Sachverständigengutachten eingeholt und die Auswahl des Sachverständigen der Werkstatt überlassen haben sollte (“Schadensservice aus einer Hand”), führt allein dies nicht zur Annahme eines Auswahl- oder Überwachungsverschuldens (BGH, Urt. v. 16.01.2024, Az. VI ZR 51/23).

 

 

 

Die Grundsätze des Werkstattrisikos gelten übrigens nicht nur für die Haftpflicht-, sondern auch für die Kaskoversicherung (z.B. AG München, Urt. v.23.05.2023, Az. 331 C 14558/22; AG Heilbronn, Urt. v. 08.02.2021, Az. 3 C 1754/20; AG Hagen, Urt. v. 29.05.2020, Az. 11 C 141/19). Wenn ein Versicherer für den Kaskoschadenfall den Ersatz der – für die fachgerechte Instandsetzung erforderlichen – Kosten verspricht, ist die entsprechende Klausel anhand des Verständnisses eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu deuten.

Dieser wird in der Regel nach dem Wortlaut der Klausel davon ausgehen, “dass ihm im Versicherungsfall diejenigen Aufwendungen ersetzt werden, die ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Betroffener in seiner Lage tätigen würde, um das beschädigte Fahrzeug wieder fachgerecht herzustellen (BGH, Urteil vom 11. November 2015 – IV ZR 426/14 -, BGHZ 207, 358-365 Rn. 12). Er wird dabei dem Begriff der erforderlichen Kosten jedenfalls nicht entnehmen, dass der Umfang seines Anspruchs gegen den Versicherer insoweit generell hinter dem zurückbleiben soll, was im Schadenfall von einem haftpflichtigen Unfallgegner verlangt werden kann.” Die Übernahme des Werkstattrisikos zählt dazu (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.01.2022, Az. 2 S 4702/21)

In dem oben zitierten Urteil des AG München heißt es dazu wörtlich: “Mit dem Abschluss einer Fahrzeugkaskoversicherung erstrebt er (Anm.: der Versicherungsnehmer) in der Regel nicht nur den Schutz vor wirtschaftlich nachteiligen Folgen hinsichtlich des eigenen Fahrzeugschadens bei selbst verschuldeten Unfällen, sondern auch die Befreiung vom Risiko der Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen den Unfallgegner bei unklarer Haftungslage. … Dass der Umfang ihres Anspruchs gegen den Versicherer insoweit generell hinter dem zurückbleiben soll, was im Schadenfall von einem haftpflichtigen Unfallgegner verlangt werden kann, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Begriff der erforderlichen Kosten nicht entnehmen.”

 

 

Die Herstellervorgaben entscheiden!

 

Sowohl der Sachverständige als auch die Werkstatt sind Erfüllungsgehilfen des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherung muss die für die Ermittlung sowie Behebung des eingetretenen Schadens entstandenen Kosten tragen. Dem BGH zufolge, ist ein bei dem eintrittspflichtigen Versicherer angestellter Sachverständiger (und damit ggf. auch der Versicherer) verantwortlich, wenn die Werkstatt die Reparatur entsprechend den Herstellervorgaben kalkuliert, der Gutachter dies aber mit der Bemerkung abgelehnt hat, dieser Reparaturweg sei unnötig und treibe nur die Kosten in die Höhe.

 

Kommt es infolge der Verweigerung der Durchführung einer Reparatur nach Herstellervorgaben zu einem Schaden, ist auch diesbezüglich ein Ersatzanspruch gegeben. (BGH, Urt. v. 07.07.2020, Az. VI ZR 308/19).

 

Was gilt bei der Kaskoversicherung?

Entscheidend für die Ersatzpflicht der Kaskoversicherung ist, welche Kosten einem Versicherungsnehmer nach sorgfältiger Auswahl der Werkstatt entstanden sind. Das Werkstattrisiko für eine nicht sachgerechte Reparatur geht daher – auch in der Kaskoversicherung – zu Lasten des Versicherers (AG Hagen, Urt. v. 29.05.2020, Az. 11 C 141/19).

 

Weiterführende Links & Urteile

 

Werkstattwahl und Werkstattrisiko

Das Werkstattrisiko trägt der Versicherer  (AG München v. 12.05.2017, Az. 332 C 5641/17)

Das Werkstattrisiko trägt der generische Versicherer!  (OLG Düsseldorf v. 09.03.2021, Az. 1 U 77/20)

Versicherer müssen sich am Geschädigten orientieren!  (AG Kassel v. 14.05.2021, Az. 435 C 449/21)

Preissteigerungen gehen in der Regel zu Lasten des Schädigers!  (BGH v. 18.02.2020, Az. VI ZR 115/19)

 

 

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Dr. Wolf-Henning Hammer

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