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Wegeunfall auch bei deutlich längerer Strecke als üblich?

Wer auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeit oder auf dem Rückweg nach Hause verunfallt, ist in der Regel über die gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Doch was, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Schichten einen Freund besucht und auf dem - deutlich längeren - Weg zur zweiten Schicht verunglückt. Liegt dann noch ein versicherter Wegeunfall vor?
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26.06.2020
ca. 3 Minuten
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Wer auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeit oder auf dem Rückweg nach Hause verunfallt, ist in der Regel über die gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Doch was, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Schichten einen Freund besucht und auf dem – deutlich längeren – Weg zur zweiten Schicht verunglückt. Liegt dann noch ein versicherter Wegeunfall vor? Mit dieser Frage musste sich das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 30.01.2020 (Az. B 2 U 20/18 R) befassen – mit einem nicht unbeachtlichen Ergebnis.

Der Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer beförderte für eine gemeinnützige Gesellschaft Teilnehmer einer Maßnahme. Dazu holte er sie morgens zuhause ab und fuhr sie bis 9 Uhr zu der Gesellschaft; nachmittags um 15:30 Uhr holte er sie dort wieder ab, um sie nach Hause zu bringen. Am 14.10.2015 fuhr der Arbeitnehmer nach seiner Vormittagsschicht zu einem Freund, wo er bis zum Nachmittagsdienst aufhielt. Auf dem Weg von der Wohnung des Freundes zur Gesellschaft erlitt er jedoch einen Verkehrsunfall, bei dem er verletzt wurde. Er wandte sich an seine Berufsgenossenschaft.

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Ansprüche des Arbeitnehmers jedoch ab, auch auf den Widerspruch des Geschädigten hin. Schließlich habe der Arbeitnehmer statt der üblichen 4,3 Kilometer von seiner Wohnung aus an dem Unfalltag eine Strecke von 15,7 Kilometern von seinem Freund aus zurückgelegt. Daher läge kein Wegeunfall und somit auch kein Arbeitsunfall vor.

Der Geschädigte zog sodann vor Gericht, scheinbar ohne Erfolg. Das Sozialgericht (SG) Koblenz (Urteil vom 26.09.2017 – Az. S 15 U 138/16) und in der Berufungsinstanz das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz (Urteil vom 07.05.2018 – Az. L 2 U 197/17) lehnten eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Unter anderem hieß es zur Begründung, dass der Geschädigte sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf einem versicherten Weg befunden [habe], weil die Wegstrecke von seinem Freund zur Arbeitsstätte mehr als dreimal so lang wie der Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte gewesen sei und er bei seinem Freund eigenwirtschaftliche Verrichtungen getätigt habe.

Und nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stünden Wege nach dem Ort der Tätigkeit, die nach rein eigenwirtschaftlichen Verrichtungen von einem sogenannten dritten Ort angetreten würden, unter Versicherungsschutz, wenn die Länge des Weges in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise von der Wohnung zur Arbeitsstätte zurückgelegten Weg stände. Sei der Weg zum oder vom dritten Ort unverhältnismäßig länger als von der Wohnung zum oder vom Ort der Tätigkeit, werde die erheblich längere Wegstrecke grundsätzlich nicht durch die beabsichtigte oder beendete betriebliche Tätigkeit geprägt, sondern durch die eigenwirtschaftliche Verrichtung am dritten Ort.

Das wollte der Geschädigte vom Bundessozialgericht geklärt wissen und legte Revision ein – mit Erfolg.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts

Das Bundessozialgericht sah – anders als die Instanzen davor – einen Arbeitsunfall als gegeben an und verurteilte die Berufsgenossenschaft den Unfall als Arbeitsunfall zu behandeln. Hierzu stellte es klar: Bei allen (Hin-)Wegen setzt § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII den Ort der versicherten Tätigkeit als Zielpunkt fest, lässt aber zugleich den Startpunkt offen. Grundsätzlich kann deshalb ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch von einem anderen Ort als der Wohnung angetreten werden. Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine versicherte Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII deshalb auch das Zurücklegen eines Weges zwischen einem anderen Ort als der Wohnung, dem sogenannten dritten Ort, und der Arbeitsstätte sein, ohne dass es dabei darauf ankommt, aus welchen Gründen sich der Versicherte an jenem Ort aufhält und in welchem Verhältnis die Entfernung von dem dritten Ort zum Ort der Tätigkeit zur Wegstrecke des üblicher Weise zurückgelegten Weges steht (…).Maßgebend ist ausschließlich, dass die Aufenthaltsdauer an dem dritten Ort die Zeitgrenze von zwei Stunden überstieg, was hier der Fall war.

Praxistipp

Ein Wegeunfall liegt nicht ausschließlich auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vor. Auch ein sogenannter dritter Ort kann Ausgangspunkt des Arbeitsweges sein. Oftmals kommt es dabei auf die richtige frühzeitige Weichenstellung an, wenn der Schaden gemeldet wird. Denn bereits falsche Begrifflichkeiten oder unklare, mehrdeutige Formulierungen können einen berechtigten Anspruch gefährden. Die erfahrenen Rechtsanwälte der ETL Kanzlei Voigt stehen Ihnen gerne zur Seite. Voigt regelt!

Bildnachweis: Skitterphoto / Pixabay

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