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Heute schon gedrängelt?

Auf das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung kommt es dagegen nur dann an, wenn Verkehrssituationen in Frage stehen, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könne (OLG Hamm, Beschl. v. 22. 12.2014, Az. 3 RBs 284/14).
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22.12.2021
ca. 3 Minuten
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Die Unterschreitung des Mindestabstands (§ 4 StVO) ist nicht nur riskant, sondern zieht regelmäßig auch Bußgelder und Punkte nach sich. Selbst Fahrverbote sind möglich. Zudem nehmen Bußgeldstellen und Amtsgerichte immer wieder Vorsatz an, wenn es sich bei der Unterschreitung des Mindestabstands um einen gravierenden Fall handelt. Die Verdoppelung des Bußgelds ist eine der möglichen Folgen. Wenn dann ein Fahrverbot verhängt wird, ist kann dies zudem nicht zu finanziellen Nachteilen, sondern – insbesondere bei Außendienstlern oder Berufskraftfahrern – auch zu einer Gefährdung oder gar dem Verlust des Arbeitsplatzes führen. Dabei kann die Unterschreitung des Mindestabstands durchaus situativ bedingt sein und eine andere Wertung erfordern, wenn z.B. ein Fahrzeug plötzlich ausgeschert oder ein vorausfahrendes Fahrzeug unvorhergesehen langsamer geworden ist.

Die obergerichtliche Rechtsprechung ist differenzierter!

Es ist daher nicht überraschend, wenn die Obergerichte regelmäßig zu dem Schluss kommen, dass eine allgemeingültige Formel fehlt, wonach selbst eine gravierende Unterschreitung des Mindestabstands nicht zwangsläufig auf Vorsatz schließen lässt. Dem AG Landstuhl zufolge (Urt. v. 20.04.2021, Az. 2 OWi 4211 Js 1233/21), soll der Tatbestand des § 4 StVO zwar generell erfüllt sein, wenn der Mindestabstand zu irgendeinem Zeitpunkt der Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar unterschritten wird. Bei einer Verurteilung muss der Tatrichter allerdings darlegen, weshalb keine Umstände vorgelegen haben, die den Betroffenen entlasten konnten.

Im Klartext bedeutet dies, auf “das Vorliegen einer nicht nur ganz vorübergehenden Abstandsunterschreitung kommt es dagegen nur dann an, wenn Verkehrssituationen in Frage stehen, wie etwa das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder der abstandsverkürzende Spurwechsel eines dritten Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könne” (OLG Hamm, Beschl. v. 22. 12.2014, Az. 3 RBs 284/14).

Das OLG Koblenz ist noch deutlicher geworden. In einem Beschluss vom 15.11.2021 (Az. 3 OWi 32 SsBs 239/21) heißt es wörtlich: “Selbst bei gravierender Unterschreitung des Sicherheitsabstandes kann – anders als etwa bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen innerhalb allgemein geltender Geschwindigkeitsbegrenzungen – nicht allein aus dem Ausmaß des Verstoßes auf Vorsatz geschlossen werden. Es sind vielmehr regelmäßig ergänzende Feststellungen zur Fahrweise des vorausfahrenden Fahrzeugs erforderlich, die ihrerseits zur Verringerung des Abstandes beigetragen haben könnten (abruptes Gaswegnehmen, Bremsen, plötzliches Ausscheren vor dem Betroffenen). Denkbar wäre auch, dass der Betroffene nur ganz kurz so dicht aufgefahren ist, weil er aufgrund der konkreten Verkehrssituation davon ausgehen durfte, der Vordermann werde, dem Rechtsfahrgebot folgend, die Überholspur unverzüglich freigeben (vgl. OLG Koblenz, Beschl. 1 Ss 293/00 v. 12.02.2000).”


Vom Betroffenen zum Straftäter!

Die Vorsicht des OLG Koblenz ist auch unter einem anderen Gesichtspunkt gerechtfertigt: Wer eine vorsätzliche Unterschreitung des Mindestabstands zu Vordermann annimmt, muss zwangsläufig auch den Tatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) prüfen. Selbst eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung ist nicht ausgeschlossen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 06.06.2006, Az. 2 Ss 532/06).
Das vorsätzliche Drängeln, um die Bahn frei zu machen und den Vordermann zum Wechsel auf die mittlere oder rechte Spur „zu bewegen“, stellt eine solche strafbare Nötigung dar, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet wird. Aus einem Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren daher schnell ein Straftäter werden.

Fazit

Der Vorwurf einer vorsätzlich begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit sollte nicht unwidersprochen hingenommen werden. Die Rechtsprechung der Obergerichte belegt, dass sowohl die Bußgeldstellen als auch die Amtsgerichte oftmals pauschal Vorsatz unterstellen, ohne sich dabei mit den konkreten Umständen auseinandergesetzt zu haben. Wenn sie wissen möchten, ob dies auch in ihrem Sachverhalt geschehen ist und wie Sie dagegen vorgehen können, wenden Sie sich die Anwälte der ETL Kanzlei Voigt.
 
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Bildnachweis: Polizeipräsidium Südhessen

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