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Wer bezahlt die Schäden am Auto bei einem Reifenplatzer?

Wenn während der Fahrt ein Reifen platzt und das Fahrzeug beschädigt wird, stellt sich regelmäßig die Frage, welche Schäden die Kaskoversicherung zu ersetzen hat und welche nicht.
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15.03.2019
ca. 4 Minuten
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Muss die Vollkaskoversicherung zahlen?

Es kommt darauf an. Die Haftpflichtversicherung ist gemäß § 1 PflVersG zwingend abzuschließen. Sie leistet Ersatz für Sach- und Personenschäden, die durch den Gebrauch des versicherten Fahrzeugs verursacht werden. Der Umfang richtet sich nach den gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen.
Die Kaskoversicherung ist eine freiwillige Versicherung. Sie deckt die Schäden an dem versicherten Fahrzeug ab, für die anderweitig kein Ersatz verlangt werden kann. Ob und in welchem Umfang Ansprüche des Versicherungsnehmers bestehen, richtet sich dabei nicht nach den gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen, sondern nach den Bedingungen des Vertrags.

Diese sind übrigens nicht einheitlich, denn die Inhalte der Kaskoversicherung können sich selbst innerhalb eines Unternehmens gravierend voneinander unterschieden. Zudem ist entscheidend, ob eine Teil- oder eine Vollkaskoversicherung besteht.

Die Vollkaskoversicherung leistet bei Unfallschäden

Die Vollkaskoversicherung muss Schäden, die in Zusammenhang mit einem Reifenplatzer stehen, nur ersetzen, wenn diese als Unfallschäden zu werten sind. Den aktuellen Musterbedingungen des GDV zufolge ist dies der Fall, wenn der Schaden durch ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis verursacht worden ist (AKB 2015, A.2.2.2.2).
Schäden, die auf den normalen Betrieb des Fahrzeugs zurückzuführen sind, insbesondere solche die durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entsteh(en), ferner Schäden, die zwar auf einer Einwirkung mechanischer Gewalt beruhen, aber zum normalen Betrieb des Kraftfahrzeugs gehören sind von der Kaskoversicherung nicht gedeckt (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 31.03.2016, Az. 8 O 7495/15). Der BGH hat dies in einer Entscheidung vom 23.10.1968 (Az. IV ZR 515/68) so definiert, dass derartige Schäden Auswirkungen des normalen Betriebsrisikos sind, die in Kauf zu nehmen sind.

Kann es auch Ersatz aus der Teilkaskoversicherung geben?

Die Teilkaskoversicherung leistet nur, für Schäden, die auf Brand und Explosion, Entwendung, Sturm, Hagel, Blitzschlag, Überschwemmung, Zusammenstöße mit Haarwild, Glasbruch oder Kurzschlussschäden an der Verkabelung zurückzuführen sind. Bei einem Unfall könnten dann z.B. ein Anspruch auf den Ersatz für zerbrochene Gläser und Scheiben bestehen. Bedingungsabhängig bestehen allerdings auch hier erhebliche Leistungsunterschiede.

Fahrzeugschäden durch Reifenteile werden nur unter engen Voraussetzungen ersetzt!

Wenn ein Fahrzeug durch Reifenteile beschädigt wird, nachdem der Reifen ohne erkennbare Auswirkung von außen geplatzt ist, sind diese Schäden als – nicht ersatzfähiger – Betriebsschaden einzustufen. (OLG Hamm, Urt. v. 15.11.2013, Az. I-20 U 83/13; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.09.1997, Az. 4 U 112/96; AG Düren, Urt. v. 16.05.2007, Az. 45 C 113/07). Der Geschädigte muss dann nachweisen, dass die Ursache für den Reifenplatzer nicht im Reifen selber gelegen hat, sondern, dass ein von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis, wie z.B. das Überfahren eines Gegenstandes, ursächlich gewesen ist. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Geschädigte, sofern er über eine Vollkaskoversicherung verfügt, gegenüber dem Versicherer einen Anspruch auf Ersatz der Schäden hat, die das Fahrzeug aufgrund des Abkommens von der Fahrbahn und der Kollision mit der Leitplanke erlitten hat. Etwaige Schäden, die möglicherweise durch sich ablösende Reifenteile verursacht wurden, dürften angesichts des Totalschadens jedoch nicht weiter ins Gewicht fallen.

Wer einen unfallbedingten Reifenschaden erleidet und die Fahrt mit den beschädigten Reifen fortsetzt, was den Schaden vergrößert, darf sich nicht wundern, wenn der Versicherer auf grobe Fahrlässigkeit hinweist und den Ersatz des vergrößerten Schadens verweigert (z.B. AG Mainz v. 07.08.2008, Az. 83 C 98/08).

Was gilt bei Schäden wegen eingefahrener Fremdkörper?

Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 17.12.2020, Az. 9 U 124/18 klargestellt, dass ändern – in den Vollkasko-Versicherungsbedingungen üblichen – Erläuterungen des “Unfalls” nichts daran ändern, dass ein Schaden, der dadurch entsteht, dass ein auf der Fahrbahn liegender Fremdkörper in den Reifen eindringt, als Unfall im Sinne der Vollkasko-Versicherungsbedingungen anzusehen ist. Es begründet dies damit, dass wenn man dem Begriff des “Betriebsvorgangs” hingegen eine selbstständige – den Unfallbegriff einschränkende – Bedeutung beimessen würde, eine solche Einschränkung wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam wäre.


Wörtlich heißt es daher in dem Urteil: “Wenn ein Reifen während der Fahrt durch einen eingedrungenen Fremdkörper platzt, handelt es sich um ein von außen mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. (Vgl. entsprechend zu einem Schaden, der durch einen im Motor befindlichen Fremdkörper verursacht wird, BGH, Urt. v. 06.02.1954, Az. II ZR 65/53) Dabei kann dahinstehen, ob der Fremdkörper (ein spitzer Stein oder beispielsweise ein Nagel) auf der Fahrbahn liegt und vom Fahrzeug überfahren wird, oder ob sich schon vorher ein Fremdkörper im Reifen befindet, der während der Fahrt tiefer in den Reifen eindringt, so dass erst dadurch ein plötzlicher Druckverlust – oder ein Reifenplatzen – erfolgt. In jedem Fall handelt es sich um eine Einwirkung von außen, die unmittelbar und plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkt (BGH, a. a. O.; LG Karlsruhe, Urt. v. 20.08.2013, Az. 9 O 95/12).”
Wenn der Reifens während der Fahrt indes allein aus “inneren” Gründen platzt (bereits zuvor bestehender Reifenschaden, fehlerhafte Montage, fehlerhafter Luftdruck) liegt kein Unfall vor, für den Vollkasko-Versicherungsschutz besteht. Die Beweislast für die Voraussetzungen eines Unfalls obliegt dem Versicherungsnehmer.


Da Versicherer – auch in der Kaskoversicherung – gerne nach Gründen suchen, um ihre Leistung zu verweigern oder gering zu halten, sollte auch hier ein Anwalt eingeschaltet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um schwere Schäden handelt. Voigt regelt!


Fotos: Polizeidirektion Kaiserslautern
Aktualisiert am 21.05.2021

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